Das Erbe der Apothekerin - Roman
wiedergutzumachen, Jungfer. Ihr sollt nicht von mir gehen mit diesem schlechten Eindruck, den Ihr zweifellos gewonnen haben müsst.«
»Ich glaube Euch, Heiliger Vater. Und ich vergebe Euch.«
Magdalena zog den Dolch zurück und erhob sich vom Bett, ohne dass Johannes XXIII. auch nur den geringsten Versuch unternahm, sie daran zu hindern. Im Gegenteil! Er
beeilte sich, mit der Gänsedaunendecke seine Blöße zu bedecken. Es war ihm nun schrecklich peinlich, dass er in Erwartung kommender Liebesfreuden bereits sein Nachthemd abgelegt hatte.
Als er die junge Frau mit den zerfetzten Überresten ihres Gewands vor seinem Prunklager stehen sah, wies er sie auf einen Überwurf hin, der am Fußende des Bettes lag.
»Nehmt solange meinen Morgenmantel, Jungfer, um Euch zu bedecken, während wir eine Kleinigkeit zu uns nehmen und einen Schluck zur Beruhigung unserer Nerven konsumieren. Es wäre doch schade um die guten Sachen, wenn sie verkämen, oder?«
Magdalena, die erkannte, dass ihr »Patient« wieder ganz vernünftig war und offenbar seinen peinlichen Lapsus bereute, beäugte die Platte mit den köstlichen Häppchen und verspürte plötzlich heftig nagenden Hunger. Und von dem Wein konnte sie ebenfalls ein Gläschen vertragen, denn erst jetzt bemerkte sie, dass sie vor Aufregung zitterte. Ohne sich im Augenblick bewusst damit auseinanderzusetzen, ahnte sie tief in ihrem Inneren, dass das soeben Geschehene ungemein wichtig für sie war, auch was die Verarbeitung der Vergangenheit anging: Diesmal war es ihr gelungen, ihren Angreifer abzuwehren und ihre Würde und Unversehrtheit zu verteidigen.
Nach ein paar Bissen fühlte sie sich tatsächlich besser, und so kam es, dass nach kurzer Zeit die schwäbische Apothekerin im seidenen, orientalisch gemusterten Morgenmantel und der neapolitanische Papst – jetzt wieder züchtig im alles verhüllenden Nachtgewand – einträchtig auf dem Bett beieinander saßen, schmausten und dem ausgezeichneten Rebensaft zusprachen, während sie sich dabei über alles Mögliche unterhielten – und sich im Übrigen recht gut verstanden.
Massimo, der vor der Türe lauschte, hörte sogar hin und
wieder Gelächter durch die dicken Holzbohlen dringen. Das beruhigte ihn ungemein – hatte er doch wegen des vor einer ganzen Weile vernommenen Gerangels und diverser Wutschreie schon überlegt, ob der Heilige Vater womöglich seines Beistandes bedürfe.
Aber nun schien alles in Ordnung zu sein. Der Leibdiener atmete befreit auf. Insgeheim rechnete er sich sogar eine Belohnung durch seinen Herrn aus. Hatte er ihm doch offenbar mit der Wahl dieses Frauenzimmers einen nicht geringen Dienst erwiesen.
KAPITEL 30
DIE SUCHE FRATER Gregors und seines Lehrjungen Betz nach Magdalena gestaltete sich indes wenig erfolgreich. Hatte Massimo doch eine falsche Angabe, den Aufenthaltsort seines Herrn betreffend, gemacht …
»Wie die Idioten stehen wir da«, knurrte der ältliche Klosterbruder, als nicht nur die Dienerschaft, sondern auch ihr Herr, ein durchaus freundlicher französischer Gelehrter und Kardinal, der in dem von Massimo benannten Anwesen untergebracht war, ihnen glaubhaft versicherte, zu keiner Zeit krank gewesen zu sein und schon gar nicht nach einer Heilerin geschickt zu haben.
»Dieser Lackaffe hat mich demnach angelogen.« Frater Gregor ballte die Fäuste und stampfte zornig mit dem Fuß auf. »Lass uns in Ruhe überlegen«, murmelte er dann, sich um Gelassenheit bemühend.
»Dazu fällt mir zweierlei ein«, fing der Junge an, und der Bruder bedeutete ihm, fortzufahren.
»Nun, das Erste, was ich dazu sagen kann, ist, dass es als schlechtes Zeichen gelten muss, wenn der Kerl es für nötig befand, betreffs der Adresse zu lügen. Das bedeutet nichts Gutes für unsere Frau Lena. Womöglich wird sie irgendwo gegen ihren Willen festgehalten. Meine zweite Überlegung ist, dass dieser Herr, der angeblich eine Apothekerin benötigt, in Konstanz einen denkbar schlechten Ruf haben muss. Würde sein Diener sonst lügen, was seinen Aufenthaltsort anbelangt?«
»Jesus Christus! Ich fürchte fast, du könntest Recht haben, Betz! Wo sollen wir denn bloß suchen, in aller Heiligen Namen? « Der Bruder Apotheker war jetzt ernsthaft besorgt.
»Wir sollten zuerst zu meinem Herrn nach Hause laufen und ihm Bescheid geben. Herr Julius wollte im Falle meines Misserfolgs die Stadtwache informieren.«
Frater Gregor seufzte schwer. »Das, mein lieber Junge, werden wir wohl tun müssen.«
Beide bogen schweren
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