Das Erbe der Apothekerin - Roman
besser gesagt gestern – einen meiner Herren zur Ordnung gerufen! Und zwar auf eine Art und Weise, die dem Conte, der üblicherweise nicht auf den Mund gefallen ist, glatt die Sprache verschlug. Ich habe es ihm gegönnt! Der Graf ist ein wenig zu hoffärtig.«
Der Heilige Vater betätigte unterdessen den Klingelzug, und beinahe sofort erschien Massimo.
»Eure Heiligkeit befehlen?«, sprudelte es beflissen aus ihm hervor.
»Sorge mir persönlich dafür, mein Sohn, dass diese tugendhafte junge Frau ungefährdet nach Hause gelangt. Bringe sie zum Anwesen des ehrenwerten Notars Doktor Julius Zängle.«
»Zängle sagtet Ihr, Eure Heiligkeit? Das ist doch jener unverschämte Mensch, der gestern …«
»Genau diesen Namen nannte ich, mein Sohn. Bei diesem braven Mann lieferst du die liebenswürdige und äußerst kompetente Apothekerin ab. Vergiss nicht, ihren Arzneikorb mitzunehmen.« Johannes deutete auf den in einer Ecke stehenden Behälter aus Weidengeflecht.
»Und merke dir das Haus des Notars, damit du – falls ich erneut unpässlich werden sollte – die junge Heilerin dort abholen und zu mir bringen kannst.«
»Tagsüber findet man mich in der Apotheke des Franziskanerklosters. « Magdalena lag daran, diesen Punkt klarzustellen.
Der Notar Zängle war bekanntermaßen beileibe kein Anhänger Johannes’ XXIII., und die Vorstellung, er könnte bei ihr eine nähere Verbindung zu dem ehemaligen Seeräuber Cossa vermuten, behagte ihr gar nicht. Sie machte sich bereits jetzt Gedanken darüber, wie sie ihren langen nächtlichen Aufenthalt in Otto von Hachbergs Palais plausibel erklären sollte.
Dass Seine Heiligkeit sie anfangs für eine »Venusdienerin« gehalten hatte, würde sie jedenfalls verschweigen, nahm sie sich auf dem Heimweg vor. Es erschien ihr nicht schicklich, darüber auch nur ein Wort zu verlieren – zumal der Papst sich ja sehr deutlich dafür entschuldigt hatte.
Kaum hatten sie und Massimo, der stumm neben ihr her schritt und artig ihren Korb schleppte, einige der wie ausgestorben scheinenden Straßen hinter sich gelassen, schickten sie sich an, den ebenfalls still im Mondlicht liegenden Oberen Marktplatz zu überqueren, als sie in einer Gasse weiter vorne laute männliche Stimmen und Waffengeklirr vernahmen. Der Leibdiener des Heiligen Vaters blieb sofort stehen und blickte sich ängstlich nach einem Fluchtweg um.
Magdalena wandte sich erstaunt nach dem hasenfüßigen Domestiken um.
»Wo bleibt Ihr denn, Messer?«, fragte sie. »Ihr werdet Euch doch nicht vor der Konstanzer Stadtwache fürchten? Sie ist doch zum Schutz der Leute da, die spät in der Nacht noch unterwegs sein müssen – so wie wir beide.«
»Ich und Angst? Aber keine Spur, Donna Magdalena! Mir ist nur ein Steinchen in meinen rechten Schuh gelangt und das drückt beim Gehen und daher …«
»Ja, schon gut, Messer Massimo.« Die Apothekerin lächelte wissend. »Ich glaube Euch ja, dass Ihr sehr tapfer seid. Wie könntet Ihr sonst der Leibdiener eines Herrn sein,
der Baldassare heißt und am liebsten hört, wenn ihn seine Freunde Baldo nennen, was ›kühn‹ bedeutet, nicht wahr?«
Vor ihrem inneren Auge erschien Papst Johannes, der ihr während des gemeinsamen Imbisses allerlei Persönliches anvertraute. Weitschweifig und, wie ihr schien, sogar ein wenig wehmütig hatte Seine Heiligkeit aus der Kindheit und Jugend geplaudert. Dass er aus Neapel stamme, sich als Knabe mit Vorliebe auf der Insel Ischia aufgehalten und dort im Frühjahr und Herbst dem Fangen von Singvögeln gefrönt habe, berichtete er; auch dass sein Vater, der den Titel eines Barons innehatte, über ansehnlichen Grundbesitz verfügte und er selbst mit seinen Brüdern zur See gefahren sei …
Magdalena hatte schon von Vetter Julius davon gehört und wusste, dass dies eine arg beschönigende Umschreibung für die Piraterie war, derer sich »Baldo« Cossa jahrelang mit Erfolg befleißigte. Irgendwann hatte er genug Beute beisammen und beschloss, an Land zu bleiben und ein Söldnerheer anzuwerben zum Zwecke des Überfalls der freien Stadt Bologna.
Aus Johannes’ Mund hörte sich dies freilich ein wenig anders an:
»Ich habe die Stadt Bologna nicht für mich erobert, sondern dem damaligen Papst Bonifaz IX. zu Füßen gelegt«, hatte er seinem weiblichen Gast verkündet und dabei in scheinheiliger Demut die Augen gesenkt – seine einstige Schandtat dreist als Akt der Frömmigkeit hinstellend.
»Und der Heilige Vater zeigte sich dankbar und großzügig: Er
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