Das Erbe der Apothekerin - Roman
Herzens in die Gasse ein, die zu Doktor Zängles Haus führte.
Massimo hatte für seinen Herrn doch noch einen kleinen Auftrag zu erledigen: Ein recht vergnügter Johannes hieß ihn – weit nach Mitternacht –, umgehend ein »ordentliches« Frauengewand herbeizuschaffen.
»Jetzt? Um diese Zeit, Eure Heiligkeit?«, fragte Massimo ein wenig dümmlich und blickte dabei verständnislos auf die Schalen und Platten mit den spärlichen Überresten der Mahlzeit, die auf dem Fußboden neben dem Bett auf den Abtransport warteten. Auch dass die Weinflasche geleert war, entging ihm nicht. Von der jungen Frau hingegen war nichts zu sehen. Er vermutete sie hinter dem Wandschirm in der Nähe der Balkontür.
»Wo Ihr das Kleid hernehmt, mein Guter, ist mir herzlich
gleichgültig«, rief Johannes dem konsternierten Leibdiener hinterher.
Nun, Massimo mochte zwar naiv und ein wenig langsam im Denken sein, aber ganz auf den Kopf gefallen war er keineswegs. Schnurstracks eilte er ins Ankleidezimmer von Bischof Hachberg.
»Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn sich da nicht das Gewand eines Frauenzimmers finden ließe«, murmelte er vor sich hin. Nach seiner Überzeugung hatte jeder der hohen Geistlichen mindestens eine Konkubine; und die meist verheirateten Frauen pflegten im Allgemeinen ihre schönen Gewänder im Hause ihres Geliebten aufzubewahren.
Als Magdalena hinter dem Wandschirm hervortrat, angetan mit dem eleganten Kleid einer vornehmen Dame, staunte der Papst über ihre Verwandlung. »Madre santissima! Dieses Gewand kleidet Euch ganz vorzüglich, Cara«, schmunzelte er voll Anerkennung. »Ihr solltet in Zukunft nur solche Gewänder tragen – bloß Eure abscheuliche Haube will nicht recht dazu passen. Ihr solltet Euer herrliches goldenes Haar nicht verstecken.«
Die junge Frau musste lachen.
»Aber Heiligkeit! Ich bin eine Bürgerstochter und nicht von Adel. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt mit meiner Hände Arbeit. Da schickt sich solche Pracht nicht. Und die Haube, auf die Ihr anspielt, ist ein Abzeichen meiner Zugehörigkeit zur Gilde der Apotheker. Ich darf mich glücklich schätzen, trotz meiner Jugend – und als Frau – dieser ehrenwerten Zunft anzugehören. Sie ist gewissermaßen ein Vorrecht meines Standes. Morgen in aller Frühe werde ich Euch das ausgeliehene Gewand zurückbringen lassen; meines lässt sich flicken, da lediglich die Nähte aufgeplatzt sind.«
Wieder war Johannes XXIII. erstaunt über die vernünftige Art und Weise, mit der dieses blutjunge Geschöpf seine Lebensumstände betrachtete – und entsprechend handelte. »Ein anziehendes Weib mit Charakter und Gehirn – was für eine Seltenheit«, dachte er. Ihm gefiel das Mädchen. Er hatte in seinem bisherigen Leben noch nicht viele ihrer Sorte kennengelernt. Meist waren es bisher – mit Ausnahme der Schönheit – gerade nicht scharfer Verstand und Charakterstärke, sondern eher die gegenteiligen Attribute gewesen, die ihn an weiblichen Wesen fesselten.
»Ich hoffe doch, dass ich Euch noch öfters sehen werde, solange ich in diesem grässlichen Konstanz ausharren muss, mein liebes Kind«, hörte Magdalena das Kirchenoberhaupt in väterlichem Ton sagen.
»Wünscht es Euch lieber nicht, Heiliger Vater«, entgegnete sie schlagfertig. »Es würde ja bedeuten, dass Ihr krank seid. Und das möge der Liebe Gott verhüten!«
»Amen, Amen.«
Papst Johannes seufzte bedauernd. Er wunderte sich selbst, dass er so gar keine Scheu dabei empfunden hatte, seine Sorgen über den Verlauf des Konzils einer vollkommen fremden Person gegenüber auszubreiten.
Nachdem das peinliche Missverständnis aufgeklärt war und die Heilkundige nicht wie eine scheinheilige Hysterikerin reagiert hatte, sondern seine Entschuldigung annahm und sogar mit ihm speiste, hatte er, der sonst seinen Mitmenschen voll Misstrauen begegnete, Zutrauen zu ihr gefasst und ihr Dinge verraten, die er nicht einmal Don Severino so ohne weiteres anvertraute.
»Ihr müsst wirklich schon gehen?«, fragte er jetzt enttäuscht und gähnte dabei ungeniert.
»Ich bin schon viel zu lange bei Euch geblieben, Eure Heiligkeit.
Mein Verwandter, der Notar Zängle, wird mich längst vermissen. Hoffentlich macht er sich keine Sorgen über meinen Verbleib.«
»Zängle gehört zu Eurer Familie? Doktor Julius Zängle?«, fragte der Heilige Vater verblüfft. Magdalena bejahte. »Er ist mein Vetter.«
Der Papst lachte schallend. »Wie man mir berichtete, hat dieser Mann heute – oder
Weitere Kostenlose Bücher