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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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es noch nie eine Arznei verwechselt oder einem Kranken das falsche Mittel gebracht. Auch beim Sammeln von Pilzen – die es auch im Winter gab – und beim Sortieren der getrockneten Heilkräuter war ihr Mariechen eine große Hilfe.
    Das Mädchen selbst war überglücklich über die warmen Kleider und die Schuhe, welche die gütige Apothekerin ihr zum Geschenk machte. Ein ums andere Mal küsste sie ihrer Wohltäterin die Hand.
    Um die Kleine nicht zu beschämen, behauptete Magdalena einfach: »Deine Sachen sind ja ganz in Ordnung, Mariechen, aber wenn du mit mir in den Wald oder ins Moor gehst, brauchst du eben eine besondere Ausrüstung.«
    Das Geld, das sie dem Mädchen jedes Mal in die Hand drückte, leistete einen willkommenen Beitrag zur kargen Familienkasse.
    Auf ihrem eiligen Weg zur Klosterapotheke lauschte Magdalena heute nur mit halbem Ohr dem eifrigen Geplapper Mariechens, denn etwas anderes wollte ihr nicht aus dem Sinn: die beschämende Behandlung des böhmischen Magisters Hus. Frater Johannes, der jeden Vorgang fleißig dokumentierte, hatte ihr schon vor Wochen von dem frommen Eiferer und tschechischen Patrioten Jan Hus erzählt, der Rektor der Prager Universität war und sich vor den Konzilsvätern für seine ketzerisch klingenden Ansichten verantworten sollte.

    »Erst wollte er gar nicht kommen – aus Angst, als unliebsamer Kritiker und Kirchenfeind verhaftet zu werden. Darum hat ihm Sigismund sein königliches Wort darauf gegeben, dass niemand Hand an ihn legen werde. Frei und unbesorgt dürfe Jan Hus seine Meinung vertreten, mit den übrigen Teilnehmern des Konzils diskutieren und danach wieder seines Weges ziehen, ohne den Büttel fürchten zu müssen.«
    »So? Dann scheint mir, ist des Königs Wort nicht allzu viel wert!«
    Magdalena war dies einfach so herausgerutscht. Ohne sich eventuelle Konsequenzen zu überlegen, sprach sie aus, was nicht wenige dachten.
    »Psst! Sprecht leise, Donna Lena, um Christi willen! Auch hier im Kloster könnte es einige geben, die Euch mit Freuden als eine Anhängerin dieses Hus anschwärzen würden! Es gibt immerhin etliche Brüder im Konvent, die es nicht gerne sehen, dass ein Weib – ein junges, hübsches zumal – bei uns beschäftigt ist. Das schickt sich nicht, meinen sie. Wie leicht könnte es sein, dass man auch Euch in Haft nimmt, so wie diesen Unglücklichen.«
    Bereits am 3. November, also noch vor der offiziellen Eröffnung des Konzils, war Jan Hus in Konstanz eingeritten. Begleitet wurde er von mehreren vom König bestellten Schutzherren, darunter die Barone Johann von Chlum und Wenzel von Duba. Leider war sein kluger Rechtsberater, Doktor Jesenitz, nicht darunter: Er war exkommuniziert und durfte sich außerhalb Prags nicht blicken lassen.
    Hus nahm Quartier bei einer ehrenhaften Witwe, bei Fida Pfister in der Sankt Paulsgasse, nahe beim Schnetztor. Dort verbrachte er nichts Böses ahnend die ersten drei Wochen. Ja in einigen Kirchen der Stadt durfte er sogar predigen –
und er nahm weiß Gott kein Blatt vor den Mund, wenn es darum ging, die Zustände in der Kirche anzuprangern.
    Viele wurden dadurch erst mit der Nase auf die wunden Punkte gestoßen, und das bewirkte Unruhe in der Stadt. Seine Schutzherren suchten Johannes XXIII. auf, aber der beruhigte sie:
    »Seid unbesorgt, dem Magister wird kein Haar gekrümmt – selbst wenn er meinen eigenen Bruder umgebracht hätte, haha! Den Bann setze ich vorläufig außer Kraft.«
    Der Papst ließ sogar durchblicken, die Affäre Hus in aller Stille am Rande des Konzils bereinigen zu wollen. Der Rektor dürfe seine Ansichten, die man selbstverständlich verwerfen würde, ruhig vertreten. Sollte er sich nicht bekehren lassen wollen, werde man ihn eben ohne großes Aufsehen nach Prag zurückschicken.
    Hus selbst sah überhaupt keinen Grund, misstrauisch zu sein. Er ahnte nicht, dass die bereits anwesenden Kardinäle – die französischen im Besonderen – anderes im Sinn hatten: Der böhmische Universitätsrektor wurde überraschend verhaftet und in den Kerker des Dominikanerklosters auf der vor der Stadt gelegenen Insel gebracht. Es handelte sich um ein enges, stinkendes Loch, unmittelbar über einer offenen Latrine gelegen.
    Schutzherr Baron von Chlum tobte vor Wut. Er fühlte sich von Papst Johannes auf den Arm genommen. Jetzt konnte nur noch der König helfen! Ein reitender Bote jagte nach Speyer, wo sich der Herrscher im Augenblick aufhielt. Der König erlitt angeblich einen regelrechten

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