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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Massimos Augen sowieso nicht … Ihm drückte er ohne ein Wort den schweren Arzneimittelkorb in die Hand.
    »Ist das so, Jungfer?«, erkundigte sich der Hauptmann der Stadtwache. Die junge Frau konnte bloß nicken, denn Vetter Julius überfiel sie umgehend mit leisem, aber deutlichem Vorwurf. Warum hatte sie denn nicht durch einen Boten daheim Bescheid gegeben? Selbst Berta habe sich große Sorgen um sie gemacht. Sie sei sogar aufgeblieben, um ihr das Abendessen aufzuwärmen.
    Auch von Frater Gregor erfolgte unmissverständlicher Tadel: Er sei äußerst besorgt gewesen, habe man im Kloster doch nicht gewusst, in welchem Haus man ihrer Hilfe bedurfte, da Ser Massimo d’Alberini sich sehr ungenau ausgedrückt habe.
    Gregors vorwurfsvoller Blick streifte den herausgeputzten
Massimo. Verlegen stammelte Magdalena daraufhin etwas, das einer Entschuldigung ähnelte.
    Es war Winter und kurz vor Weihnachten, bereits sehr spät und daher entsprechend kalt und unfreundlich auf der Gasse. In Kürze löste sich die Gruppe auf. Die Stadtwache zog ab, Frater Gregor eilte in sein Kloster, Zängle, Betz und Magdalena sahen ebenfalls zu, dass sie in die Wärme kamen, und Massimo, der bereits erbärmlich fror, rannte zurück ins Bischofspalais, als gälte es sein Leben.
    Dabei hielt er seine Pechfackel so ungeschickt, dass die gebauschten Ärmel seines Wamses um ein Haar Feuer fingen. Erschrocken ließ er die Fackel fallen, und die Flamme erlosch in einer Wasserpfütze, war doch spätabends noch ein kurzer Eisregen niedergegangen. Glücklicherweise waren die feinen Kristalle nicht gefroren, aber in den holprigen Gassen war jede Vertiefung mit eisigem Wasser gefüllt. Da beinahe Vollmond herrschte, vermochte Massimo heimzufinden, ohne sich im Finstern die Beine zu brechen. Seine eleganten Pantoffeln aus rotem Saffianleder waren allerdings rettungslos verdorben.

KAPITEL 31
    IN DEN KOMMENDEN Tagen bekam Magdalena ihren Vetter Julius so gut wie gar nicht mehr zu Gesicht. Wenn sie am frühen Morgen das Haus mit Betz verließ, um ins Kloster der Franziskaner zu eilen, war der Notar – von den kirchlichen Stellen mittlerweile hochgeschätzter Organisator und nicht selten Schlichter bei Streitigkeiten – längst in Konstanz oder Umgebung unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen.

    Wenn die Apothekerin und ihr Gehilfe am Abend rechtschaffen müde zu Hause eintrafen, konnten sie die Rückkunft des Hausherrn nur noch selten abwarten. Meist wurde es Mitternacht, und oft übernachtete Julius sogar auswärts. Als Berta sich bitter darüber beklagte, war es die junge Frau, die sie sanft aber deutlich zurechtwies.
    »Bedenkt, meine Gute, es handelt sich derzeit um die wichtigste und größte geistlich-weltliche Zusammenkunft, die unser Land je erlebte. Man zählt beinah siebzigtausend Fremde, darunter eintausend Fürsten, von denen neununddreißig Herzöge sind und fünfundachtzig Kardinäle und Erzbischöfe. Dazu kommen zweihundertachtunddreißig Bischöfe sowie haufenweise andere Priester, Edle, Reisige, Krämer, Musikanten, Gaukler und – nicht zu vergessen – an die tausend zugezogene Mannsräuschlein.« So nannte man die Stundenliebchen …
    »Sobald der König mit seiner Begleitung endlich eintrifft, wird sich die Zahl der Dirnen noch deutlich erhöhen«, fuhr Magdalena in ihren Ausführungen eifrig fort.
    »Doktor Zängles Aufmerksamkeit richtet sich auch auf die täglichen Unfälle, die Reibereien, die nicht selten in heftigen Streit und sogar Raufereien ausarten, auf die plötzlich ausbrechenden Gassenhändel, für die meist gar kein Grund ersichtlich ist – und auf die eigenartigerweise sich mehrenden Selbsttötungen. Nicht wenige scheint der See zu verlocken, ihrem Leben ein Ende zu machen. Das verstehe, wer will! Da muss mein Verwandter zur Stelle sein, versteht Ihr, liebe Berta?«
    »Ja, ja! Ihr mögt ja Recht haben, Frau Lena! Aber ich sage trotzdem, dass es nicht gut ist, wenn der Hausherr sich daheim gar nimmer blicken lässt.« Berta ließ sich nicht beirren und behielt für dieses Mal das letzte Wort.

    Mariechen hatte wie jeden Morgen auf Magdalena vor der Haustür gewartet, um sie zum Kloster zu begleiten. Auf dem Weg dorthin erklärte ihr ihre Lehrmeisterin die Aufgaben, die sie für das blitzgescheite Mädchen vorgesehen hatte. Den Verkauf der Korbwaren übernahm inzwischen ihre jüngere Schwester Bärbi oder die Mutter selbst.
    Magdalena war erstaunt, wie geschickt das Kind sich anstellte. Obwohl des Lesens unkundig, hatte

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