Das Erbe der Apothekerin - Roman
nachdem man sie erst mit Ruten gepeitscht, ihnen die Knochen zerschlagen und sie aufs Rad geflochten hat«, verkündete Julius beim Abendbrot den Richterspruch.
Zängle hatte dafür gesorgt, dass seine Base nur ein einziges Mal vor dem Richter erscheinen musste – und dies auch nicht bei der öffentlichen Verhandlung, sondern sozusagen privatim. Er legte keinen Wert darauf, Magdalenas Unglück in der ganzen Stadt publik zu machen, worüber seine Verwandte sehr froh war.
Die feige Ermordung des Schmiedemeisters Rudolf Reichle und seines Knechts Ulrich Wegener, genannt Utz, hatten völlig ausgereicht, um die härtesten Strafen gegen beide Missetäter zu verhängen.
Nur einer aus der Familie war bei der grausigen Vollstreckung des Urteils, die unverzüglich nach Beendigung des Prozesses stattfand, zugegen: Vetter Albrecht von Meinrad. Magdalena verbrachte etliche Stunden in der Stadtpfarrkirche Sankt Stephan im Gebet, Julius Zängle war unterwegs –
und Betz, der mittlerweile zur Familie zählte, musste in der Klosterapotheke sein.
Albrecht war es auch, der den Ferngebliebenen von den Pannen bei der Hinrichtung berichtete.
»Beinahe hätte Balzer es noch geschafft, sich von den Stadtwachen loszureißen, aber Vinzenz, einer der Wachmannschaft, hat das kommen sehen. Er war schneller, stellte ihm ein Bein und fesselte den Gestrauchelten so schnell, dass man mit dem Zuschauen kaum hinterher kam. Der Henker vergalt Balzer die versuchte Flucht mit doppelter Wucht bei den Rutenhieben. Sein Rücken war am Ende so zerschunden, dass er beim Zertrümmern seiner Knochen bereits ohnmächtig war und auch beim Flechten aufs Rad keinen Pieps mehr von sich gab. Sie nahmen ihn auch bald wieder herunter, um ihm den Kopf abzuschlagen. Ich weiß nicht, ob er da überhaupt noch am Leben war. Ludwig hingegen hat alle drei Strafen bei vollem Bewusstsein miterlebt. Bei seiner Enthauptung hat der Henker allerdings gepfuscht: Er brauchte nicht weniger als drei Axthiebe, um ihm den Schädel vom Rumpf zu trennen. Das gab allerhand Murren bei den Zuschauern.«
»Das kann ich mir vorstellen! Die Leute reagieren in aller Regel sehr empfindlich, wenn ein Nachrichter sein Handwerk nicht versteht.« Julius Zängle kannte sich in diesen Dingen aus.
»Die Untaten sind endlich gesühnt«, stellte Magdalena ruhig, aber mit verweinten Augen fest. Bei der Vorstellung, Balzer sei fast entkommen, lief es ihr noch nachträglich eiskalt über den Rücken. »Dass die Mörder ihre gerechte Strafe erhalten haben, genügt mir. Ich hoffe, dass ich nie mehr gezwungen sein werde, über das Schreckliche zu sprechen.«
Dass die erneut aufgerissenen Wunden in ihrem Inneren
eine gute Weile brauchen würden, bis sie wieder verheilt wären, behielt sie für sich.
Auch Betz zeigte sich befriedigt über den Ausgang. »Ich bedauere es nur, dass der dritte im Bunde, der Schurke Simon, sich der irdischen Gerechtigkeit durch einen zu frühen Tod entzogen hat«, sagte er leise. »Aber mich tröstet immerhin, dass sein Sterben auch nicht unbedingt das Angenehmste war. Er rechnete sicher nicht damit, so bald abtreten zu müssen, und immerhin wurde ihm der Schädel eingeschlagen …«
KAPITEL 49
DIE KRÖNUNG MARTINS V. wurde am 21. November 1417 feierlich im Münster zu Konstanz begangen. Dem neuen Papst musste vorher noch gemäß des kanonischen Rechts die fehlende Bischofsweihe erteilt werden. In aller Eile holte man das nach.
Ehe man Seiner Heiligkeit die Papstkrone aufsetzte, trat nach altem Brauch einer der Kardinäle mit einem mit Werg oder Hede umwickelten langen Stab vor. Hede war der Abfall, der beim Hecheln von Bastfasern übrigblieb.
Die Benützung eines Abfallproduktes war symbolisch. Der Kardinal – es handelte sich um keinen anderen als Seine wiedergenesene Eminenz Emilio Sabattini – entzündete die Hede und sprach dabei die Worte: »Heiliger Vater, so wie diese Materie in Rauch aufgeht, so vergeht die Herrlichkeit der Welt!«
Danach erfolgte die Krönung des Papstes, und daran schloss sich ein feierlicher Umzug durch die Stadt an. Doktor
Zängle und die Seinen standen wiederum mit Hunderten von Schaulustigen auf dem Münsterplatz, um den prunkvollen Zug zu beobachten.
Voraus zogen die Kardinäle, dann folgte Papst Martin V. auf einem prächtig aufgezäumten Schimmel. Der Kaiser jedoch war, wie die Sitte es gebot, zu Fuß an seiner Seite und führte wie ein Knecht das Pferd des Papstes am Zügel.
»Es ist genau das gleiche Bild wie beim Einzug Papst
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