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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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langsamer, Gandolf«, bat Magdalena flüsternd. Die junge Frau hatte zwar hervorragende Augen – auch im Dunklen –, aber sie kannte die holprigen, mit unebenen Kopfsteinen gepflasterten Gassen und deren Tücken keineswegs so gut wie der Knecht. Und dass man als werdende Mutter nicht unbedingt hinfallen sollte, davon hatte sie schon öfters gehört.
    »Entschuldigt bitte, vielmals, Jungfer Magdalena«, bat der ältere Mann. »Ich hab’ gar nicht mehr daran gedacht, dass ein zartes Fräulein mit mir durch die Gassen läuft.«
    Obwohl der Ausdruck »zartes Fräulein« sie innerlich erheiterte, ließ das Mädchen ihn unwidersprochen stehen. Mit »Zartheit« und »Zimperlichkeit« käme sie von nun an gewiss nicht weiter – aber das brauchte sie mit Gandolf nicht zu erörtern.
    Ihre Befürchtung, beim Passieren des Obertors mit der
Stadtwache aneinanderzugeraten, hatte Gandolf zerstreut: »Ich kenne zwei der Wachtposten sehr gut und werde einfach behaupten, Ihr wäret eine entfernte Base von mir.«
    »Wie wird Muhme Gertrude mich wohl aufnehmen?«, überlegte Magdalena, während sie in langsamerem Tempo ihren Weg fortsetzten. Unwillkürlich tastete sie nach dem Brief, den die Großmutter ihr mitgegeben hatte. Zusammengefaltet hatte sie ihn in ihren Miederausschnitt gesteckt, um ihn nicht zu verlieren. Auf alle Fälle war sie gespannt auf die Reaktion der großen, weißhaarigen Heilerin, die sie bisher nur als unnahbare und von den meisten gefürchtete Respektsperson kannte.
    Aber beinahe noch mehr interessierte sie Gertrudes Sohn, den diese Jahre nach dem Ableben ihres Gemahls empfangen und aufgezogen hatte und der jetzt ungefähr sechsundzwanzig Jahre zählte.
    Er war noch nicht verheiratet und lebte nach wie vor im großen Steinhaus seiner Mutter, die allgemein in der Stadt nach ihrem verstorbenen Ehemann, einem Baron, als »Witwe von Reuchlin« bezeichnet wurde, während ihr Sohn Rudolf sich schlicht »Rolf Reichle« nannte.
    »Was er tut und ob er überhaupt einer regelmäßigen Tätigkeit nachgeht, wissen die Ravensburger nicht so recht. Er soll sich aber sehr gut mit Kriegs- und Jagdwaffen auskennen. Außerdem ist der junge Mann viel unterwegs. Der Sohn ist ihnen daher ähnlich suspekt wie seine Mutter«, hatte ihr die Großmutter verraten – eine Auskunft, die nicht gerade dazu angetan war, Magdalenas Bedenken hinsichtlich des jungen Mannes zu zerstreuen.
    Aber was blieb ihr anderes übrig? Sie musste zumindest versuchen, jene Verwandten dazu zu bewegen, ihr ein kleines Stück weit zu helfen. Auf irgendeine Art und Weise
nach Konstanz zu gelangen, war im Augenblick ihr größter Wunsch.
    Dort lebte nämlich ein weiterer entfernter Verwandter, ein Doktor der Juristerei, der ihr vielleicht Aufnahme in seinem Haushalt gewähren konnte. Zumindest so lange, bis sie ihr Kind geboren hätte.
    Inzwischen wäre dann wohl auch Konrad wieder in heimischen Gefilden, und sie könnte ihm mit seinem Sohn auf dem Arm entgegentreten … Dass er bereits eine Ehefrau besaß, schob sie in ihren Gedanken erst einmal beiseite. Und dass es sich um einen Knaben handelte, den sie unter dem Herzen trug, davon war sie mittlerweile überzeugt. In ihrem tiefsten Inneren nährte sie die naive Vorstellung, dass sich das ganze Missverständnis von allein aufklären würde, sobald sie und Konrad sich nur wiedersähen. Er liebte sie doch, und es konnte, nein, es durfte einfach nicht so enden! Kämpferisch reckte Magdalena ihr Kinn empor und schritt fester aus, getrieben von dem Vorsatz, wenigstens für diese Nacht keine trüben Gedanken mehr zuzulassen.
    Selbstverständlich wäre sie bereit, für Kost und Logis im Haus ihres Vetters zu arbeiten. Aber das Erreichen der großen, bedeutenden Stadt am Bodensee war wohl eher das Problem: Peter, der Holzhauer, mit seinen braven Gäulen stand ihr nun mal nicht mehr zur Verfügung …
    »Jessesmaria!« Gerade noch vermochte sich die junge Frau zu fangen: Der Mond hatte sich hinter einer Wolke versteckt, und in der Dunkelheit war sie über einen größeren Holzklotz gestolpert, der mitten auf der Gasse lag.
    »Gleich sind wir da«, versuchte sie der Knecht zu beruhigen, aber Magdalena war verärgert.
    »Warum rennen wir denn schon wieder so, Gandolf? Wenn ich mir die Füße breche auf der buckligen Gasse, dann kann
ich meine Flucht sowieso vergessen. Auf eine Minute mehr oder weniger wird es ja wohl nicht ankommen!«
    »Psst!« Gandolf blieb stehen und beugte sich zu ihr hinunter. »Hört Ihr? Da

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