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Das Erbe der Apothekerin - Roman

Das Erbe der Apothekerin - Roman

Titel: Das Erbe der Apothekerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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kostbaren Pfeffer –, hatte sich jeder noch einen halben Krug Wasser aus einem durch die Wiese mäandernden Bach gegönnt.
    Als Rolf die Nachtwachen eingeteilt hatte, legte Magdalena sich auf die mit Stroh gefüllte Matratze und deckte sich gut zu. Betz verzog sich mit einem dicht gewebten Tuch unter den Wagen, und die beiden erwachsenen Männer blieben noch unter dem Baum sitzen, unterhielten sich leise und würden bis eine Stunde nach Mitternacht Wache halten. Dann wollten sie Betz wecken, damit der Junge auch seinen Anteil an dem Wachdienst verrichtete.
    »Ich werde den Kleinen allerdings schon nach zwei Stunden wieder ablösen, damit er noch bis sechs Uhr schlummern kann«, kündigte der Schmied an. »Kinder brauchen ihren Schlaf. Nie im Leben glaube ich, dass unser Betz schon fast siebzehn sein soll!«
    »Ich auch nicht, Herr«, stimmte Utz brummend zu. »Wenn das Bürschlein dreizehn Jährchen auf seinem schmalen Buckel hat, dann ist das viel – aber keinen Monat mehr. Da verwette ich meinen Hut!«
    »Wenn ich ihn ordentlich füttere, dann wird das Bübchen schon wachsen«, prophezeite Rolf. Dann schwiegen beide Männer eine längere Zeit, und es war nur das gemächliche Gräserrupfen der Maultiere sowie das Pladdern der Regentropfen auf dem Blätterdach und auf der Plane jenes Teilstücks vom Wagen zu hören, das unter dem ausladenden Geäst der Buche keinen Platz mehr gefunden hatte.

    Magdalena, deren Kind sich in ihrem Leib ausnahmsweise ziemlich ruhig verhielt, träumte in dieser Nacht lauter wirre, unzusammenhängende Szenen von Konrad, der plötzlich wie Rolf aussah und eine Schaufel in der Hand hielt.
    Auf einmal war ihr Vetter verschwunden und sie stand allein in einer Kirche. Sie wartete lange auf Konrad, weil sie ihm ihr Kind, das seltsamerweise bereits geboren war, zeigen wollte. Als Nächstes erschien ein Pfaffe in schwarzer Soutane und fragte, was sie in der Kirche zu suchen habe.
    »Der Vater des Kindes muss den Namen für seinen Sohn auswählen«, erklärte sie dem Geistlichen. Es war derselbe, der am Morgen die Totenmesse für den Grafensohn gehalten hatte. Letzterer schritt plötzlich auf sie zu, wobei er die Lazarusklapper vor ihrem Gesicht schwenkte.
    »Geh weg!«, schrie Magdalena im Traum auf. »Du wirst mein Kind verseuchen!« Aber der Pfarrer, der plötzlich das Antlitz des Aussätzigen hatte, lachte bloß. »Unsinn! Welches Kind? Ich sehe keins.«
    Magdalena blickte um sich. Und wirklich! Ihr kleiner Sohn, den sie Konrad hatte präsentieren wollen, war von dem Katafalk, auf dem sie ihn abgelegt hatte, verschwunden – ebenso wie der Geistliche. Der Mieselsüchtige aber verließ laut lachend die Kirche. Als das Portal mit einem Donnerschlag hinter ihm zuknallte, wachte sie mit einem Schrei schweißgebadet auf.
    »Du Arme! Was ist mit dir? Hast du schlecht geträumt?« Die junge Frau bemerkte, dass sie aufrecht saß und Vetter Rolf sie mit seinen Armen umschlang. Neben ihrem Deckenlager hatte er eine Laterne abgestellt, die ihren milden Schein im Inneren des Wagens verströmte.
    »Oh mein Gott, ja! Ich hatte meinen Sohn bereits geboren, und auf einmal war er verschwunden, obwohl ich ihn Konrad
zeigen wollte. Aber auch Konrad war plötzlich fort, dafür war der Aussätzige von heute Morgen da und hat mich erschreckt!«
    Dass die Person Konrads sich mit Rolf vermischt hatte, verschwieg sie allerdings …
    »Beruhige dich, meine Liebe. Es war heute ein bisschen viel für dich, nicht wahr? Das Schicksal des für tot Erklärten hat dir sehr zugesetzt, das ist mir nicht entgangen. Das spricht für dein mitfühlendes Herz und deine Empfindsamkeit. Von den Trauergästen waren leider nicht alle so gut auf den jungen Mann zu sprechen. Viele von ihnen waren Pharisäer, die sich mit ihrer angeblichen eigenen Unbescholtenheit brüsteten und lieber anklagend auf ihren armen Mitbruder deuteten.«
    »Du hast es ebenfalls gespürt, nicht wahr? Ach, Vetter, ich bin so froh, dass du nicht so bist! Ja, der Traum, aus dem ich gerade erwacht bin, war nicht sehr schön. Habe ich dich etwa geweckt?«
    »Ist alles in Ordnung?«, hörten beide in diesem Augenblick die besorgte Stimme von Utz. Magdalena musste unwillkürlich lachen. »Jetzt fehlt bloß noch, dass auch Betz aus seinem Schlummer hochgeschreckt ist.«
    Aber da konnte der Knecht sie beruhigen: »Der Kleine liegt unter dem Karren und schnarcht wie ein Bär. Kinder haben zum Glück einen guten Schlaf.«
    Magdalena, die nun das Ungeborene in ihrem

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