Das Erbe der Azteken
Bagamoyo?«
»Das ist richtig. Der Kaffernbüffel.«
»Was können Sie uns über ihn erzählen?«, fragte Remi.
»Mbogo Blaylock kam 1872 von Amerika nach Bagamoyo, um hier sein Glück zu suchen. Er maß einen Meter neunzig, wog zweimal so viel wie damals ein durchschnittlicher Mann aus Tanganjika und hatte Schultern so breit wie der mbogo, nach dem er benannt wurde.«
»Ist er das?«, fragte Sam und deutete auf eine körnige schwarz-weiße Daguerreotypie an der Wand über Mortons Kopf. Sie zeigte einen hochgewachsenen, breitschultrigen Mann in hemingwaymäßiger Safarikleidung. Im Hintergrund knieten ein Dutzend Massai-Krieger mit ihren assegai -Speeren.
»Das ist er«, bestätigte Morton. »Die gesamte Geschichte des Mbogo können Sie in diesem schönen, in Leder gebundenen Buch nachlesen.«
Morton deutete mit der Hand auf ein Korbregal an der rechten Wand. Remi ging hinüber und nahm eines der Bücher von einem Stapel. Der Einband war kein echtes Leder, sondern Kunstleder, das nicht sehr sorgfältig festgeheftet worden war. Auf dem Buchdeckel klebte eine Reproduktion des Fotos an der Wand.
»Wir nehmen zwei Stück«, sagte Sam und brachte ihre Einkäufe zum Kartentisch. Während er bezahlte, fragte Remi: »Uns wurde gesagt, wir könnten hier etwas über ein Schiff erfahren. Die Ophelia. «
Morton nickte und deutete auf die einen mal anderthalb Meter große Kohlezeichnung eines Dampfseglers. »Die Jagd nach der Ophelia war Mbogo Blaylocks erstes großes Abenteuer. Das steht alles in dem Buch. Ich habe das Inhaltsverzeichnis selbst geschrieben. Drei Jahre hab ich gebraucht.«
»Das ist wahres Engagement«, sagte Remi. »Wie kommen Sie … hierher? Kannte Ihre Familie Mr Blaylock?«
Jetzt – zum ersten Mal, seit sie hereingekommen waren – lächelte Morton. Stolz. »Meine Familie ist Mbogo Blaylock. Ich bin der Großcousin von Mbogos Urenkel.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Sam. »Sie sind mit Winston Blaylock verwandt?«
»Natürlich. Sieht man das nicht?«
Sam und Remi wussten nicht, wie sie darauf reagieren sollten. Nach einigen Sekunden schlug sich Morton auf den Oberschenkel und lachte. »Jetzt habe ich Sie völlig durcheinandergebracht, nicht wahr?«
»Ja, das haben Sie«, erwiderte Sam. »Demnach sind Sie nicht …«
»Nein, dieser Teil ist wahr. Die Ähnlichkeit ist jedoch nur schwach zu erkennen. Ich zeige Ihnen gern meine Geburtsurkunde.« Ehe sie antworten konnten, holte Morton die Urkunde aus einer abschließbaren Kassette unter dem Kartentisch. Er faltete sie auseinander und schob sie zu den Fargos hinüber. Sam und Remi beugten sich vor, um sie zu lesen, dann richteten sie sich auf.
»Das ist erstaunlich«, sagte Remi. »Hat er wirklich geheiratet? Und sich eine tansanische Frau genommen?«
»Damals, als es noch Tanganjika hieß – ehe die Deutschen kamen. Aber nein, er hat sich keine Frau genommen. Doch er hatte sechs Konkubinen und viele Kinder. Auch das steht in dem Buch.«
Sam und Remi sahen sich entgeistert an. Sam wollte von Morton wissen: »Was ist ihm zugestoßen?«
»Das weiß niemand. Er verschwand von hier im Jahr 1882. Sein Enkel meinte, er sei hinter einem Schatz her gewesen.«
»Hinter was für einem Schatz?«
»Das ist ein Geheimnis, das er mit niemandem geteilt hat.«
»Einige Leute in der Stadt nannten es das …«
»Crazy Man House«, sagte Morton. »Das ist keine Beleidigung. Das Wort lässt sich nicht sehr treffend ins Englische übersetzen. In Swahili meint es nicht verrückt, sondern eher … freigeistig. Wild.«
»Haben all diese Gegenstände ihm gehört?«, fragte Remi.
»Ja. Das meiste hat er mit seinen eigenen Händen getötet, hergestellt oder gefunden. Anderes sind Geschenke und Opfergaben. Nennen Sie einen anständigen Preis, und ich überlege es mir.«
»Ich verstehe wohl nicht richtig. Sie wollen seine gesamte Habe verkaufen?«
»Ich habe keine andere Wahl. Ich bin der letzte Nachkomme Mbogo Blaylocks. Zumindest hier, an diesem Ort. Meine beiden Kinder leben in England. Sie gehen dort zur Schule. Ich bin krank und werde nicht mehr lange leben.«
»Das tut uns sehr leid«, sagte Sam. »Dürfen wir uns umsehen?«
»Natürlich. Fragen Sie ruhig, wenn Sie etwas wissen wollen.«
Sam und Remi entfernten sich. Sie flüsterte: »Meinst du, das alles stimmt wirklich? Der Mann auf dem Bild sieht in meinen Augen wie Hemingway persönlich aus.«
»Warum rufen wir nicht Miss Kilembe an und fragen sie?«
Remi ging hinaus und kam fünf Minuten später
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