Das Erbe der Azteken
Straßenböschung zu.
»Auweia …«, sagte Remi. Sie stemmte die Hände gegen das Armaturenbrett und drückte den Kopf gegen die Nackenstütze.
Die Böschung ragte wie eine unüberwindbare Mauer vor ihnen auf. Der Land Cruiser kippte nach hinten. Himmel füllte die Windschutzscheibe, dann neigten sie sich wieder nach vorn, segelten durch die Luft, und der Motor heulte auf, als die Räder frei durchdrehten. Der Cruiser krachte auf die Erde. Sand prasselte gegen die Windschutzscheibe. Sam trat das Gaspedal bis aufs Bodenblech durch, und nach einem kurzen protestierenden Knurren reagierte der Motor. Sie bewegten sich wieder vorwärts, wenn auch nur noch mit halbem Tempo, während die Reifen im trockenen Sand Halt suchten.
Vor ihnen hatte die rennende Gestalt den Pier fast erreicht. Der Mann blickte über die Schulter, entdeckte den Land Cruiser und stolperte. Es war Yaotl.
»Ich schätze, er hatte für unsere Gastfreundschaft nicht so viel übrig«, rief Sam.
»Ich frage mich bloß, warum nicht«, erwiderte Remi.
Yaotl kam wieder auf die Füße. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er die Treppe zum Pier hinauf, angetrieben von Rivera und Nochtli, die auf dem Rinker standen und wild gestikulierten.
Bei dem Versuch, sich auf festeren Untergrund vorzutasten, kurbelte Sam am Lenkrad. Der Pier war noch fünfzig Meter weit entfernt. Yaotl erreichte das Rinker und sprang an Bord. Noch dreißig Meter. Nochtli ging zum Pilotensitz und rutschte hinter das Ruder. Eine Qualmwolke wallte aus dem Auspuffrohr.
Lässig und ohne Eile ging Rivera an dem keuchenden Yaotl vorbei, klopfte ihm auf die Schulter und kam zum Heckspiegel. Er warf einen Blick zu dem Land Cruiser hinüber, der sich näherte, dann hob er eine Hand, als winke er.
Sam murmelte: »Verdammter Hur- …«
»Er hat etwas«, sagte Remi.
»Was ist?«
»In der Hand! Er hält etwas fest!«
Sam trat abrupt auf die Bremse. Der Land Cruiser rutschte zur Seite und kam vibrierend zum Stehen. Sam schaltete auf Rückwärtsfahrt und hielt seinen Fuß bereit, um von der Bremse aufs Gaspedal zu wechseln.
Während Rivera sie nicht aus den Augen ließ, lächelte er grimmig, streckte den anderen Arm hoch und hantierte an dem Objekt herum, das er in der Hand hielt. Wie Sam jetzt erkennen konnte, war es eine Handgranate, deren Sicherungsstift er herausgezogen hatte. Er schleuderte sie ins Andreyale. Dann startete das Rinker durch und raste, eine hohe Gischtfahne hinter sich herziehend, auf die Njiwa zu.
Mit einem dumpfen Knall explodierte die Handgranate. Ein Geysir aus Wasser und Holztrümmern schoss in die Luft und regnete auf den Pier herab. Das Andreyale sackte schlagartig tiefer und sank dann in einer Wolke aus Luftbläschen auf den Meeresgrund hinab.
Nachdem Sam das SUV durch den Sand zur Straße zurückgelenkt hatte, beobachteten sie, wie Rivera und seine Männer die Njiwa erreichten. Es dauerte nur Minuten, bis der Anker gelichtet wurde und die Yacht Fahrt aufnahm, nach Süden schwenkte und sich in zügiger Fahrt entfernte.
»Ich fing gerade an, mich in diese Glocke zu verlieben«, murmelte Sam.
»Und du verlierst nicht gerne«, sagte Remi. Als Sam den Kopf schüttelte, fügte sie hinzu: »Ich übrigens auch nicht.«
Sam beugte sich über Remis Schoß und angelte die H & K P30 aus dem Handschuhfach und sagte dann: »Ich bin gleich zurück.« Er stieg aus dem Wagen, ging die Straße zur Villa hinunter und betrat sie. Zwei Minuten später erschien er wieder in der Haustür und gab Remi das Okay-Zeichen. Sie rutschte auf den Fahrersitz und lenkte den Toyota in die Zufahrt.
»Haben sie das Haus gefilzt?«, fragte sie, während sie ausstieg.
Sam schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß, wie sie uns gefunden haben.«
Er ging voraus durch die Villa zu dem Gästezimmer, wo sie Yaotl gefangen gehalten hatten. Sam trat zum Kopfbrett des Bettes und deutete auf die Schlinge, die sie um das linke Handgelenk ihres Gastes gelegt hatten. Sie war mit dunklen rotbraunen Flecken übersät. Die restlichen drei Schlingen waren gelöst worden.
»Das ist Blut«, stellte Remi fest. »Er hat sich selbst befreit.«
»Dann hat er Rivera angerufen«, fügte Sam hinzu. »Das muss ich ihm lassen; er hat eine verdammt hohe Schmerzgrenze. Sein Handgelenk muss bis auf den Knochen eingeschnitten sein.«
»Warum haben sie uns nicht in einen Hinterhalt gelockt und ausgelöscht?«
»Schwer zu sagen. Rivera ist kein Dummkopf. Er weiß, dass wir Yaotls Pistole haben, und wollte nicht
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