Das Erbe der Azteken
lassen: Winston Lloyd Blaylock, Ehefrau Ophelia, soll vor 1872 in den Vereinigten Staaten gelebt haben. Sonst noch etwas?«
»Wir haben eine grobe Beschreibung von ihm«, sagte Remi.
»Jede Kleinigkeit hilft.«
»Ein Meter neunzig groß, etwa zweihundertfünfzig Pfund schwer.«
»Außerdem hatte er ein Henry-Gewehr Kaliber .44«, fügte Sam hinzu. »Soweit ich weiß, war diese Waffe nicht sehr verbreitet.«
»Man hat sie sicher nicht so häufig gesehen wie Winchesters, Remingtons oder Springfields. Die Henry Rifle gehörte im Bürgerkrieg nicht zur militärischen Standardausrüstung, aber viele Soldaten der Union kauften sich eine solche Waffe von ihrem eigenen Geld. Die Regierung verteilte sie jedoch an Kundschafter, Stoßtrupps und Sondereinheiten. Die konföderierten Soldaten hassten das Henry-Gewehr. Sein Magazin fasste sechzehn Patronen, und ein geübter Soldat konnte achtundzwanzig Kugeln in der Minute abfeuern. Damals war das Henry die Waffe, die einem tragbaren Maschinengewehr am nächsten kam. Wissen wir, ob Blaylock damit umgehen konnte?«
»Laut unserer Quelle war er sogar ein Meisterschütze.«
Severson nickte. Sie tippte los, und während der nächsten fünf Minuten herrschte bis auf das Klappern der Tasten und ein von Severson gelegentlich gemurmeltes »Faszinierend« oder »Interessant« völlige Stille.
»Ich habe hier eine Namensliste. Das ist eine Mikrofilmkopie aus den National Archives. Eigentlich sind es zwei Quellen: das CMSR oder Compiled Military Service Record; und die Publikationen M594 und M861. Das sind die ›Service of Military Units in Volunteer Union Organizations‹ sowohl für die Union wie auch für die Konföderierten.«
»Wird Blaylock irgendwo erwähnt?«
»Ich habe tatsächlich neunundfünfzig Einträge. Da Blaylock eine Henry Rifle benutzt hat, lassen Sie uns zuerst mit der Liste der Union anfangen.« Severson begann wieder zu tippen. »Das Problem ist, dass bei vielen der abstrakten Einträge nur Vorname, mittleres Initial und Nachname genannt werden. Ich habe mehrere W. Blaylocks und zwei W. L. Blaylocks. Der erste hat einen Anhang in Form eines medizinischen Berichts. War Ihr Blaylock irgendwann mal verwundet?«
»Nicht dass ich wüsste.«
Lächelnd tippte Severson gegen den Schirm und war sichtlich erregt über das, was sie gefunden hatte. »Rechtes Bein im Feldlazarett während der Schlacht von Antietam amputiert. Schätze, das schließt ihn aus, hm? Oh, tut mir leid, das klang ziemlich morbide, oder?«
»Ist schon okay«, sagte Sam. »Sie und Selma scheinen eine besondere Begeisterung fürs Recherchieren zu entwickeln. Wir sind daran gewöhnt.«
»Okay, hier wäre der andere Eintrag. Oh, das ist interessant. Dieser Blaylock wurde im September 1863 aus der Unionsarmee entlassen, aber es wird kein Grund dafür genannt. Er wurde nicht versetzt oder verwundet. Einfach nur entlassen.«
»Was heißt das?«, fragte Remi.
»Keine Ahnung. Mal sehen, ob ich mehr als nur diese mageren Angaben über ihn finden kann.«
Eine Viertelstunde später blickte Severson von ihrer Workstation auf. »Ich hab’s! Sämtliche Daten seines Militärdienstes. Das könnte Ihr Mann sein: William Lynd Blaylock.«
»Das ist mindestens nah dran«, sagte Sam. »Auffällig nah.«
»Die Beschreibung seiner äußeren Erscheinung ebenfalls: eins neunzig, zweihundertzehn Pfund.«
»Es war sicher nicht schwierig, nach Verlassen der Armee dreißig oder vierzig Pfund zuzunehmen«, stellte Remi fest.
Severson runzelte die Stirn. »Teile der Akte fehlen. Ich habe sämtliche Details seiner Ausbildung und seiner Einsätze, Beförderungen und Feldzüge, an denen er beteiligt war, sowie seine Bewertungen … Aber nach 1862 werden seine Einsätze nur noch als Hilfsdienste bezeichnet.«
»Klingt nach James Bond«, sagte Remi.
»Sie sind gar nicht so weit davon entfernt«, erwiderte Julianne Severson. »In den Dienstakten aus dem Bürgerkrieg wird der Begriff Hilfsdienste gewöhnlich bei Guerilla-Einheiten verwendet – was wir heutzutage mit Special Forces bezeichnen.«
Sam sagte: »Wie die Loudoun Rangers, Quantrill’s Raiders, die Kansas Jayhawkers …«
Severson nickte. »Richtig. Bringen Sie das mit Blaylocks rätselhaftem Ausscheiden aus der Unionsarmee im Jahr 1863 in Verbindung, und ich denke, wir haben einen Soldaten vor uns, der sich in einen Spion verwandelt hat.«
Der Nachmittag schritt voran, während Severson an ihrer Workstation saß, ihre Tastatur bearbeitete, Notizen machte
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