Das Erbe der Azteken
und Sam und Remi ab und zu an ihren Fortschritten teilhaben ließ. Gegen sechzehn Uhr hielt Severson inne und schaute auf die Uhr. »Meine Güte, wie die Zeit verfliegt. Wir schließen ja schon bald. Sie hätten gar nicht so lange hier herumsitzen müssen. Warum kehren Sie nicht in Ihr Hotel zurück und essen in Ruhe zu Abend? Ich rufe Sie an, falls ich irgendetwas finde. Oh, ich korrigiere: sobald ich etwas finde.«
»Bitte, Julianne, gehen Sie doch auch nach Hause«, sagte Remi. »Sicherlich haben Sie andere Pläne für den Abend.«
»Keineswegs. Meine Mitbewohnerin füttert meine Katze, und zum Abendessen kann ich mir etwas herbringen lassen.«
»Wir können doch nicht …«, sagte Sam.
»Meinen Sie das jetzt ernst? Dies hier ist für mich wie ein Besuch in Disney World.«
»Irgendwie klingt das vertraut«, sagte Remi lächelnd. »Sind Sie ganz sicher, dass Sie und Selma nicht blutsverwandt sind?«
»Wir gehören beide zur geheimen Gesellschaft der Ewigen Bibliothekare«, erwiderte Severson. »Sie gehen jetzt und lassen mich meine Arbeit tun. Später hören Sie von mir.«
Wie immer, wenn sie sich in Washington aufhielten oder dort einen Zwischenstopp einlegten, hatten Sam und Remi die Robert Mills Suite im Hotel Monaco gebucht. Zwanzig Minuten nachdem sie es vor der Library of Congress angehalten hatten, stoppte das Taxi vor der roten Markise über der Eingangstreppe des Monaco. Der Portier hatte die Tür bereits geöffnet, noch bevor das Taxi zum Stehen gekommen war. Sam und Remi stiegen aus.
Das Monaco, einst das U. S. General Post Office Building und mittlerweile in den Rang eines nationalen Denkmals erhoben, stand im Penn Quarter, jenem berühmten Stadtviertel, das von Bauten aus dem neunzehnten Jahrhundert geprägt war. Die Mall, das Smithsonian American Art Museum, das J. Edgar Hoover Building und das U. S. Navy Memorial waren zu Fuß zu erreichen. Desgleichen genügend Fünf-Sterne-Restaurants, um einen Feinschmecker für Jahre auf Trab zu halten.
»Willkommen, Mr und Mrs Fargo«, sagte der Portier. Er ging zum Heck des Taxis und holte ihr Gepäck aus dem Kofferraum. »Ich lasse Ihre Sachen sofort nach oben bringen. Wenn Sie bitte eintreten würden, ich glaube, der Concierge erwartet Sie bereits.«
Zehn Minuten später waren sie in ihrer Suite. Immer noch müde von ihrer afrikanischen Odyssee, gönnten sie sich ein einstündiges Nickerchen, dann duschten sie, wählten die passende Kleidung zum Dinner und verließen das Hotel. Sie erreichten das Restaurant des Monaco, die Poste Modern Brasserie, um die Ecke in der Eighth Street durch eine Kutscheneinfahrt in der Gebäudefront.
Nach einem Blick auf die Weinkarte entschieden sie sich für eine Flasche 2007er Domaine de la Quilla Muscadet – einen vollmundigen, fruchtigen Wein aus dem Loiretal – Rucolasalat mit Basilikum, Minze und Parmesan sowie Bouchot-Muscheln in Rieslingsud und einem Confit aus Safran, Senf und Knoblauch. Ebenso wie der Aufenthalt im Monaco bedeutete die Auswahl des Abendmenüs eine gewisse Tradition für das Paar.
Remi trank einen Schluck Wein, schloss genussvoll die Augen und seufzte selig. »Ich muss dir ein Geständnis machen, Sam. Wie jedes unternehmungslustige Mädchen liebe ich das Abenteuer, aber gutes Essen und ein warmes Bett mit sauberen Laken haben auch etwas für sich.«
»Dem kann ich nicht widersprechen.«
Remis iPhone trällerte. Sie warf einen Blick auf das Display und legte das Telefon beiseite. »Selma. Sie hat in Blaylocks Tagebuch ein weiteres aztekisches Symbol gefunden.«
Ehe sie nach Washington aufgebrochen waren, hatten sie sie gebeten, ihre Suche auf alles zu konzentrieren, das auch nur entfernt an die Miquiztli-Glyphe erinnerte. Als Orientierungshilfe für Selma hatte Remi ein hoch auflösendes Bild des vierundzwanzig Tonnen schweren aztekischen Kalenders, des Sonnensteins, aus dem Internet heruntergeladen. Er war im Nationalen Museum für Anthropologie in Mexico City zu besichtigen.
»Das wären dann vier Symbole bisher«, sagte Remi.
»Gibt es irgendein erkennbares Muster? Irgendwelche Anmerkungen in der direkten Umgebung der Symbole?«
»Nein. Sie sagt, sie seien alle isoliert dargestellt.«
»Irgendwann musst du mich mal gründlich in die Welt der Azteken einführen.«
»Mal sehen, was ich tun kann. Es gibt nicht viele alte Völker mit einer komplexeren Geschichte und Kultur. Selbst nachdem ich mich ein ganzes Semester lang damit beschäftigt habe, hatte ich das Gefühl, lediglich ein
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