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Das Erbe der Azteken

Das Erbe der Azteken

Titel: Das Erbe der Azteken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Cortés einfiel und das aztekische Reich zusammenbrach, wurden zahlreiche Kodices geschrieben, die meisten von Jesuiten- und Franziskanermönchen, einige von Soldaten oder Diplomaten und ein paar sogar von Azteken, die sie diktierten. Diese sind ziemlich selten und werden gewöhnlich nicht mitgezählt – oder zumindest nicht während der letzten zweihundert Jahre. Aztekische Kodices entsprachen nicht ganz der offiziellen spanischen Parteilinie, die besagte, dass Azteken Wilde waren und ihre Unterwerfung eine gute und Gott wohlgefällige Tat gewesen sei. Ihr versteht?«
    »Auch in diesem Fall sind es wieder mal die Sieger, die den Lauf der Geschichte bestimmen«, sagte Sam.
    »Du sagst es.«
    Selma ergriff das Wort. »Sie reden vom Kodex Borbonicus, vom Kodex Mendoza, vom Kodex Florentinus …«
    »Richtig. Es gibt Dutzende. Gewöhnlich behandeln sie das aztekische Leben jeweils vor, während und nach der spanischen Eroberung. Manche enthalten lediglich Schilderungen alltäglicher Abläufe, während andere als historische Berichte von Cortés’ Ankunft, von stattgefundenen Schlachten oder wichtigen Zeremonien und so weiter angefertigt wurden.«
    Remi angelte ein Vergrößerungsglas aus der Schublade und beugte sich über den Kodex, um ihn eingehend zu inspizieren. Sie verbrachte zehn Minuten damit, jeden Quadratzentimeter genauestens zu betrachten, dann richtete sie sich mit einem Seufzer auf.
    »Thematisch ist dieser dem Kodex Boturini sehr ähnlich. Angeblich wurde der Kodex Boturini von einem anonymen aztekischen Autor zwischen 1530 und 1541, etwa zehn Jahre nach dem Untergang der Azteken, geschrieben. Er soll die Wanderung der Azteken von Aztlán ins heutige Mexiko schildern.«
    »Aztlán?«, fragte Sam.
    »Einer der zwei mythologischen Herkunftsorte des Nahua-Volks, zu dem auch die Azteken gehören. Viele Historiker sind sich uneins, ob Aztlán ein legendärer oder ein tatsächlich existierender Ort ist.«
    »Du sprachst von zwei Herkunftsorten.«
    »Der andere heißt Chicomoztoc oder der Ort der Sieben Höhlen. Er spielt in der aztekischen Religion eine wichtige Rolle. Seht euch unseren Kodex an. Erkennt ihr diese ausgehöhlte Blütenstruktur in der rechten unteren Ecke?«
    Sam und Selma nickten.
    »So wird Chicomoztoc gewöhnlich dargestellt. Aber diese Abbildung weicht ein wenig ab. Ich glaube, ich muss ein paar Vergleichsuntersuchungen anstellen.«
    »Wenn ich die Bilder und Notizen richtig verstehe«, sagte Sam, »dann ist eine Seereise gemeint. Ich nehme an, das Kanu ist eine Metapher.«
    »Schwer zu sagen. Aber siehst du dieses kammähnliche Objekt daneben?«
    »Ist mir aufgefallen, ja.«
    »Das ist die Glyphe für die aztekische Zahl einhundert.«
    »Menschen oder Schiffe?«
    »Auf Grund der Position tippe ich auf Letzteres.«
    »Einhundert Schiffe«, wiederholte Sam. »Die von Chicomoztoc nach … wohin unterwegs sind?«
    »Dorthin, wo dieser Vogel und das Objekt darunter zu finden sind?«, äußerte Selma eine Vermutung. »Was ist das? Ich kann es nicht genau erkennen.«
    »Sieht aus wie ein Schwert«, sagte Sam. »Oder möglicherweise auch eine Fackel.«
    »Ich weiß es nicht, aber dieser Vogel kommt mir irgendwie vertraut vor«, räumte Selma ein.
    »Das sollte er auch«, entgegnete Remi. »Er stammt aus Blaylocks Tagebuch. Und da ist noch etwas anderes, das ihr wiedererkennen müsstet.«
    Sam tippte auf den Schatten, der die obere Hälfte des Kodex einnahm. »Ebenfalls aus Blaylocks Tagebuch.«
    »Ein Punkt für Mr Fargo. Und noch einer«, sagte Remi und reichte ihm das Vergrößerungsglas. »Die Inschrift.«
    Sam beugte sich über den Kodex, blickte durch das Vergrößerungsglas und las vor: »Mein Spanisch ist nicht gerade das beste, aber da steht … › Dado este 12vo día de Julio, año de nuestro Señor 1521, por zu alteza Cuauhtemotzin. Javier Orizaga, S. J.‹« Sam schaute hoch. »Remi?«
    »Frei übersetzt steht dort: ›Gegeben an diesem zwölften Tag im Juli im Jahr unseres Herrn 1521 von Seiner Hoheit Cuauhtemotzin. Javier Orizaga S. J.‹«
    »Orizaga … Das ist ein weiteres Häppchen aus Blaylocks Tagebuch: ›War Orizaga hier?‹«
    »Hier … wo?«, fragte Selma. »In Chicomoztoc?«
    »Reine Vermutung«, erwiderte Remi. »Der eigentliche Knaller entgeht dir.«
    Ohne eine weitere Andeutung ging sie zu einer Workstation, rief den Web-Browser auf und navigierte fünf Minuten lang durch die Seiten von famsi.org – der Foundation for the Advancement of Mesoamerican Studies.

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