Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
wollte. Uns wird er schon nichts tun, wir sind ja nicht seine Feinde.« Ihr kam ein Gedanke, der ihre Meinung untermauerte. »Zudem glaube ich, dass er sich nicht traut, gegen dich anzugehen, denn der Erzbischof hat dich vor dem Tode bewahrt. Mir scheint, er wollte nicht, dass dir etwas geschieht.« Sie runzelte die Stirn. »Warum er das wohl tat? Was steckt dahinter?«
»Das wüsste ich auch gern.«
Madlen reckte das Kinn. »Einerlei. Keiner vertreibt dich gegen deinen Willen aus meinem Haus. Bei mir bist du so sicher, wie du es auch woanders wärst, deshalb wäre es unsinnig, wenn du fortgingest.« Verunsichert fügte sie hinzu: »Es sei denn, du willst es.«
»Ich will es nicht. Jedenfalls noch nicht.«
Dieses noch nicht empfand Madlen als bedrückend, wieder eine Regung, die ihr nicht einleuchten wollte. Doch da sie gleich ohnehin um innere Einkehr beten musste, wollte sie jetzt nicht darüber nachdenken. Sich bereits abwendend, meinte sie betont gleichmütig: »Dann haben wir nun alles besprochen. Ich wünsche dir eine gute Nacht.«
Johann ging zu Veit in den Schuppen, um ihm gute Nacht zu sagen. Der Freund hatte bereits auf ihn gewartet. Johann sah keinen Anlass, Veit den Vorfall auf der Tenne zu verschweigen, sie hatten keine Geheimnisse voreinander. Mit kargen Worten fasste er das Geschehen zusammen und kratzte sich ratlos den Kopf, als er geendet hatte.
Veit lauschte dem Geräusch nach, die Augen auf die Talgleuchte gerichtet, die im Eingang zum Stall brannte, in sicherer Entfernung zum Heu. »Woran denkst du jetzt gerade?«, wollte er wissen.
»Ich bin froh, dass wir nicht fortmüssen, denn es würde uns ziemliche Umstände machen, eine neue Bleibe zu suchen. Und ich überlege, welchen Zug Hardefust wohl als Nächstes macht und wie ich ihm zuvorkommen kann. Ich glaube, dass der Erzbischof Pläne mit mir hat, und ich wüsste gern, welche das sind, weshalb ich mir Gedanken darüber mache, wie ich es herausfinden kann, sobald er das nächste Mal in Köln ist.« Johann unterbrach sich und seufzte schwer. »Mir hängt noch sehr nach, dass ich den Nachbarsjungen geschlagen habe, und ich wünschte, ich wüsste, wie ich es wiedergutmachen kann, zumal ich nicht will, dass er Angst vor mir hat. Ich habe überlegt, ihm ein Spielzeug zu besorgen, vielleicht einen Schnurrer oder einen Ball.«
»Ich wollte eigentlich eher wissen, wie dir in Bezug auf Madlen zumute ist.«
Johann ahnte, dass Veit sich das ohne Weiteres selbst denken konnte. Er hatte keine große Lust, über seine innersten Gefühle zu reden, das war ihm immer schon schwergefallen, zumal er oft selbst nicht in der Lage war, sie gedanklich richtig zu erfassen, vor allem jene, die nicht leicht zu beschreiben waren. Was Madlen betraf, so musste er jedoch nicht erst überlegen. Er war fast verrückt vor Verlangen nach ihr, noch nie hatte er eine Frau mit solcher Inbrunst besitzen wollen. Er hatte in seinem bisherigen Leben noch nie so viel Beherrschung aufbringen müssen wie dort oben auf der Tenne. Sie nicht einfach doch noch zu nehmen, egal wer unten stand und es mitkriegte, hatte ihn schier übermenschliche Anstrengung gekostet. Wenn er nur daran dachte, wie es sich angefühlt hatte, in sie einzudringen, brach ihm am ganzen Körper der Schweiß aus, und er fing jämmerlich an zu zittern. Sie während des Abends in der Schänke vor Augen zu haben, ohne sie berühren zu können, war ebenfalls eine ausgesprochen harte Prüfung gewesen, im wahrsten Sinne des Wortes, seine Erektion war zwischendurch kaum abgeklungen. Der Schwung ihrer Hüften, wenn sie sich zwischen den Bänken hindurchwand, die sachte Rundung ihres Busens, der sich offenbarte, wenn sie das Tablett gegen den Bauch drückte, um eine Hand zum Kassieren frei zu haben, die köstliche Linie ihres Nackens, wenn sie sich vorbeugte, um Becher abzuräumen – zweifellos hatte er die ganze Zeit wie ein sabbernder Trottel dagestanden und sie angestarrt. Er stöhnte unwillkürlich und wandelte es gerade noch in ein Räuspern um, bevor er sich vollends zum Narren machte. »Sie bringt meine Pläne durcheinander«, fasste er seine Empfindungen in Worte.
»Ah«, sagte Veit, was alles oder nichts bedeuten konnte. »Und was wirst du jetzt tun?«
»Nichts.«
»Was genau meinst du mit nichts?«
»Gar nichts. Ich habe ihr versprochen, sie nicht mehr anzufassen, weil es ein Fehler war.«
»Das war sehr vernünftig.«
Johann musterte den Freund argwöhnisch, denn der letzte Satz war ihm eher ironisch
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