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Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin

Titel: Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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noch, warum sein Freund die Welt nur noch in schemenhaften Umrissen sah. Ein Sturz vom Pferd und eine mehrstündige Bewusstlosigkeit hatten gereicht, ihm das Augenlicht zu rauben.
    Veit schnupperte. »Wildschwein«, sagte er zufrieden. Sein Geruchssinn ließ nichts zu wünschen übrig. Er lächelte erwartungsfroh.
    Veit lächelte oft, und gerade dieses Lächeln setzte Johann zu, denn es zeigte ihm, wie schwach er selbst im Vergleich zu Veit war. Sein eigenes Lächeln hatte er schlichtweg verloren, auch wenn er nicht wusste, wann genau es geschehen war. Jedenfalls noch nicht in den ersten Jahren des Kreuzzuges, obwohl auch diese Zeit bereits schlimm gewesen war. All das sinnlose Sterben, das viele Blut, eigenes und das der Heiden, die in Wahrheit einfach nur junge Männer waren, manchmal noch mit dem Flaum des Jünglings auf den Wangen. Davon musste jedes Lächeln bitter werden.
    Wenn er bedachte, wie oft er früher zusammen mit Veit gelacht hatte, über andere und sich selbst und über alles, was auch nur den Anflug von Heiterkeit erweckte, wurde ihm bewusst, dass ihm viel mehr abhandengekommen war als nur das väterliche Erbe. Als übermütiger, fröhlicher Junge hatte er sich damals gemeinsam mit Veit dem Kreuzzug angeschlossen, und als pessimistischer Grübler war er zurückgekehrt.
    Natürlich konnte er noch lächeln, wenn er sich Mühe gab. Aber eben auch nur dann. Zuweilen war diese Mühe unerlässlich, etwa, wenn er auf Menschen traf, deren Hilfe er benötigte oder deren Argwohn es zu zerstreuen galt, so wie unlängst bei der Brauerin. Zu lächeln half im Umgang mit anderen auch, die eigene Angst zu überspielen oder zu zeigen, dass man Herr der Lage war, auch wenn man weit davon entfernt war.
    Veits Lächeln kam dagegen aus dem Herzen. Er war immer schon ein glücklicher Mensch gewesen, und er war, was Johann am wenigsten verstand, trotz der vielen Schlechtigkeiten, die ihm bereits widerfahren waren, noch in der Lage, in den anderen Menschen das Gute zu sehen.
    »Warum sollte ich nicht lächeln?«, hatte er einmal erklärt, als Johann ihn gefragt hatte, wie er es fertigbrachte, trotz der Kälte und der eintönigen Kost und der Schmerzen in seinem Armstumpf noch so vergnügt dreinzuschauen. »Ich habe doch dich.«
    Das traf allerdings zu, obwohl Johann der Meinung war, dass es eher umgekehrt war – er hatte Veit. Veit, in dessen Gegenwart er sich geborgen und friedlich fühlte. Veit, der ihm das Gefühl vermittelte, dass ein Teil von ihm noch wie früher war, als sie beide junge, stets zu Scherzen aufgelegte Burschen gewesen waren. Veit, der ihn daran glauben ließ, dass alles wieder gut werden konnte, egal, welche Rückschläge sie hinnehmen mussten. Veit ließ sich von Enttäuschungen nicht so schnell aus der Bahn werfen, vielleicht, weil er seine Ziele nicht so hoch steckte und sich nicht in nutzlose Hoffnungen und Sehnsüchte verrannte. Veit war schon zufrieden, wenn er nicht frieren musste und genug zu essen hatte, so wie jetzt.
    Johann setzte sich zu ihm ans Feuer und drehte den Spieß. Er beobachtete, wie das Fett zischend in die Flammen tropfte, und dabei warf er von der Seite einen Blick auf Veits Armstumpf. Auch diese Verletzung rührte von der letzten Schlacht des Kreuzzuges her: Als Veit nach dem Sturz besinnungslos auf der Erde gelegen hatte, war ihm die Hand von einem Pferd zu Brei zertreten worden, einer der Feldschere hatte sie später abnehmen müssen.
    Die Narbe war schon wieder geschwollen und entzündet, Folge der unwirtlichen und schmutzigen Umgebung, in der sie seit Monaten hausten. Doch allzu lange würde das nicht mehr dauern, Johann hatte alles schon genau ausgerechnet. Zwei, drei Raubzüge noch, dann hatte er genug beisammen, um seine Schulden bei Drago auszugleichen und für sich und Veit eine ordentliche Bleibe zu beschaffen. Keine zugige, undichte Hütte, sondern ein richtiges Haus, so wie die Brauerin eines besaß. Mit einem soliden Steinsockel und festem Fachwerk und einem Dach aus Schindeln. Und einem Kamin, an dem man kochen und sich wärmen konnte. Anschließend würde er planen, wie er weiter vorging, vor allem, auf welche Weise er sich sein Erbe zurückholte. Und wie er die Schuldigen zur Verantwortung ziehen konnte. Sicher keine leichte Aufgabe, vielleicht sogar eine, die seine Möglichkeiten überstieg, aber immerhin hatte er eine, und sie hielt ihn am Leben.
    Veit dagegen hatte keine erklärten Ziele. Dennoch benahm er sich so, als lohne es sich für ihn, auf der Welt

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