Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
her zog rötlicher Schein am Himmel auf, die Dämmerung verzog sich.
Gedankenverloren blickte Madlen geradeaus, während Jacop, ebenso stumm wie sie, auf dem Pferd, das seinem Vater gehörte, neben ihr herritt.
Schließlich brach er das Schweigen. »Hast du das Geld dabei?«
»Was glaubst du wohl?«, fuhr sie ihn verärgert an. Die Goldmünzen zerrten buchstäblich an ihr, jede einzelne schien um ein Vielfaches schwerer als am Vorabend, als Madlen sie aus dem Geheimversteck im Keller geholt und sie Stück für Stück in dem kleinen Ledertäschchen verstaut hatte, das sie um den Hals trug, sicher verwahrt zwischen ihren Brüsten. Es war ein nicht unbeträchtlicher Teil ihrer Ersparnisse, Konrad und sie hatten es für die Einrichtung des zweiten Brauhauses nutzen wollen.
»Und was ist mit deiner Hälfte?«, wollte sie wissen. »Wann kriege ich die?«
»Erst, wenn das Geschäft perfekt ist.«
»Und wann wäre es deiner Meinung nach so weit?« Sie lachte höhnisch. »Wenn die Ehe vollzogen ist?«
»Wenn ihr die Gelöbnisse gesprochen habt«, antwortete Jacop ganz ernsthaft.
Madlen schüttelte konsterniert den Kopf. Das Ganze war einfach zu absurd. Sie hatte die halbe Nacht wach gelegen und sich auszumalen versucht, wie es wohl ablaufen würde, aber Jacop setzte allem noch die Krone auf. Bis zum Austausch der Ehegelübde war sie trotz wildester Spekulationen bisher noch gar nicht vorgedrungen; ihre Vorstellungskraft hatte jedes Mal bereits versagt, wenn sie daran dachte, wie sie dem Henker gegenübertreten sollte.
»Wie genau soll das Ganze eigentlich vonstattengehen? Ich gebe dem Henker das Geld und nehme den Mann im Austausch dafür mit? Und dann? Schleppe ich ihn vor den nächstbesten Priester? Was tue ich, wenn er vorher Reißaus nimmt? In dem Fall stehe ich genauso dumm da wie vorher. Nein, viel schlimmer, denn mein Geld wäre weg, und du müsstest mich doch noch heiraten. Glaub ja nicht, dass ich dann Barthel nehme, dem habe ich schon endgültig Nein gesagt!«
Jacop lächelte ihr beruhigend zu. »Keine Sorge, es ist an alles gedacht. Deshalb bin ich ja hier. Ein Mönch wird euch die Gelübde abnehmen, ein Priestermönch, um genau zu sein. Ich selbst werde als Zeuge zugegen sein.«
»Ein Mönch? Weiß der Bescheid?«
Jacop nickte errötend. »Wir wollen doch, dass alles gelingt!« Er räusperte sich und straffte etwas die Zügel, um mit dem Fuhrwerk auf gleicher Höhe zu bleiben. »Natürlich ist der Mönch im Preis schon inbegriffen!«
»Und was ist, wenn mein künftiger Gatte sofort verschwindet, sobald ich ihn beim Henker ausgelöst habe?« Ihr fiel noch eine andere, deutlich beunruhigendere Möglichkeit ein. »Oder wenn er mir zuerst den Hals umdreht und dann verschwindet?«
Jacops Lächeln bekam etwas Bemühtes. »Oh, das kann er nicht, dazu ist gar nicht in der Lage.«
»Was soll das schon wieder heißen?«
»Er ist … ähm, ein wenig schwach.«
»Was meinst du mit schwach ? Hat man ihn hungern lassen?«
»Oh, hm, nein, oder vielmehr, keine Ahnung. Auf jeden Fall sind ihm Festnahme und Haft nicht gut bekommen. Er wird noch eine Weile brauchen, bis er sich davon erholt hat.«
Madlen richtete sich empört auf. »Hat man ihn gefoltert?«
»Ich weiß nicht.« Jacops Antwort klang ausweichend.
Vor ihnen kam der Judenbüchel in Sicht, der seinen Namen von dem nahen jüdischen Friedhof hatte, aber gemeinhin eher mit der Richtstätte in Verbindung gebracht wurde, die sich ebenfalls hier draußen befand, ein künstlich aufgeschütteter Hügel inmitten von Rübenäckern und Getreidefeldern. Krähen stoben mit schwerfälligem Flügelschlag auf, ihr Krächzen zerriss die morgendliche Stille.
Mit schnellem Blick erfasste Madlen die Umgebung, doch dann atmete sie erleichtert aus. Keine verwesende Gestalt baumelte am Galgen, kein fauliger Schädel steckte auf den reihum aus dem Boden ragenden Pfählen.
Dennoch zog sie in sicherer Entfernung zur Richtstätte die Zügel an, das Fuhrwerk kam in leichter Schräglage zum Stillstand. Die Räder gruben sich mit einem saugenden Geräusch tief in den Matsch. Es hatte aufgehört zu regnen, doch der Morast würde nicht so schnell verschwinden. Blieb nur zu hoffen, dass sie nachher ohne Schwierigkeiten wieder wegkam. Diesmal würde der Fremde, der, wie sie jetzt wusste, Johann von Bergerhausen hieß und als Raubritter sein Unwesen getrieben hatte, ihr wohl kaum dabei helfen können, den Wagen aus dem Dreck zu ziehen.
Sie hatte das Bedürfnis, ihre angestaute Wut
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