Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
reden war, sobald sie erst ihrem Zorn gehörig Luft gemacht hatten. Verhandeln, kluges Taktieren, Planen, Intrigieren – das war allemal besser als Kriege zu führen, wie er nach etlichen leidvollen Erlebnissen in seiner Vergangenheit gelernt hatte. Auf jeden Fall war es gesünder.
In zweiundzwanzig Amtsjahren hatte er schon vieles überlebt, das andere, weniger machtbewusste Männer längst Kopf und Kragen gekostet hätte. Exkommunikation, Gefangenschaft, zahlreiche Kriege und Fehden und so manchen mörderischen Schwertstreich in den von ihm selbst ausgefochtenen Schlachten. Er hatte Konkurrenten gebannt und verschwinden lassen, hatte Könige eingesetzt und sie anschließend seine Überlegenheit spüren lassen, hatte über all die Jahre hinweg beharrlich und rücksichtslos seinen Besitz gemehrt und seinen Herrschaftsbereich ausgeweitet.
Nur hier in Köln, im Zentrum seiner Macht, erwuchsen ihm immer neue Konflikte, es schien unmöglich, ihrer Herr zu werden, obwohl er gerade hier wie an keinem anderen Ort danach trachtete, durch einsichtsvolles Nachgeben und eine Reihe von Wohltaten ein gedeihliches Miteinander zu fördern.
Er hatte den Kölnern das Stapelrecht verliehen und diverse Steueraufkommen an sie verpachtet, hatte ihnen Hoheitsbefugnisse bei der Gerichtsbarkeit und der Stadtverwaltung eingeräumt, hatte Ämter und Würden vergeben und in mehreren Schiedsverfahren seine Fähigkeit zum Einlenken unter Beweis gestellt. Doch den Kölner Geschlechtern war es nie genug, sie wollten immer mehr, wollten sich zu Stadtfürsten aufschwingen und alle Macht unter sich aufteilen.
Sein heutiger Besucher war auch so einer. Er konnte den Hals nicht vollkriegen. Hätte er freie Hand gehabt, wären längst alle Geschlechter außer dem seinen unter der Erde und er selbst unbestrittener Alleinherrscher, nicht nur im Kölner Gewürzhandel, sondern möglichst über alles, was innerhalb der Stadtmauern zu Geld gemacht werden konnte.
»… empfinde ich es als unerträglich, dass dieser Johann von Bergerhausen begnadigt wurde«, spie Wendel von Hardefust hervor.
Konrad von Hochstaden erhob sich. Es war an der Zeit, den Tiraden des Mannes ein Ende zu bereiten.
»Seine Begnadigung steht nicht zur Debatte. Ich schulde seiner Familie eine Menge, sein Vater war mein Freund, seine Schwester mein Patenkind.« Er gab sich keine Mühe, seine Verstimmung zu verbergen. In seinem Leben hatte er nicht oft unter Gewissensbissen gelitten, doch das Schicksal der von Bergerhausens nagte an ihm. Für einen Teil davon trug er selbst die Verantwortung, manchmal geboten die Umstände leider Gottes ein Handeln, das eher von Vernunft als von Loyalität geprägt war. Aber er weigerte sich, der bereits angehäuften Schuld neue hinzuzufügen. Allzu viel Zeit, begangenes Unrecht zu sühnen, blieb ihm ohnedies nicht, dafür war er zu alt. Die übrige Lebenszeit reichte kaum aus, um das zu erhalten, was er sich aufgebaut hatte, und zu seinem Verdruss brauchte er dafür die Hilfe von Männern wie Wendel Hardefust.
Etwas versöhnlicher fuhr er fort: »Seht das Praktische daran: Als Gatte einer einfachen Brauerin kann er keine Handelszüge mehr überfallen, und solange er hier in Köln sitzt, haben wir ihn besser im Auge, als wenn er sich anderenorts daranmachen würde, Mitstreiter um sich zu scharen und eine Fehde anzuzetteln.«
»Er wird mit Sicherheit Mittel und Wege dafür finden! Glaubt Ihr wirklich, dass er in Köln bleibt?«
»Ja, davon bin ich überzeugt. Denn würde er die Stadt verlassen und neues Unheil anrichten, muss er damit rechnen, gebannt zu werden, das würde seine Möglichkeiten erst recht beschränken.«
»Am besten wären sie beschränkt, wenn er einen Kopf kürzer wäre, so, wie es vorgesehen war! Wozu ihn am Leben lassen? Diese alberne Begnadigung …«
»Schweigt!«, fiel der Erzbischof dem Mann schneidend ins Wort. Im Hintergrund erhob sich Ott, der Hauskaplan. Seine riesenhafte, muskulöse Gestalt ragte bedrohlich vor der getäfelten Wand auf. Er tat einen Schritt nach vorn.
»Domine?«
»Schon gut, er sieht es ein«, sagte Konrad von Hochstaden, den Blick fest auf Wendel von Hardefust gerichtet. »Johann von Bergerhausen wurde übel genug mitgespielt«, fuhr er kalt fort. »Wenn ich sage, es reicht, dann meine ich das auch so. Seht Euch vor, was ihn angeht, Hardefust. Ich dulde keine Eigenmacht, das solltet Ihr wissen! Und ebenso gut wisst Ihr, was mit Männern geschieht, die meinen erklärten Willen
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