Das Erbe der Braumeisterin - Thomas, C: Erbe der Braumeisterin
gern irgendetwas übergebraten, hilfsweise ihn damit beworfen, doch sie hatte nichts zur Hand. Mit wütend zusammengepressten Lippen stieg sie auf den Kutschbock, dann wandte sie sich an Jacop. »Deine Hälfte«, sagte sie kalt. »Ich will sie jetzt.«
Er wurde glühend rot und erklomm geschwind den Apfelschimmel seines Vaters. »Oh, das erledigen wir morgen. Ich habe eben gemerkt, dass ich vergessen habe, das Geld einzustecken.«
Das schlechte Gewissen stand ihm im Gesicht geschrieben, doch es war unverkennbar, dass seine Erleichterung um ein Vielfaches stärker war.
Madlen starrte ihn an, dann sah sie zu dem Scharfrichter hinüber, der bereits gemächlich in Richtung Waidmarkt davonritt, ohne sich umzublicken. Der Schinder schlurfte ihm hinterdrein, den Esel am Halfter führend. Er hatte sogar daran gedacht, die widerwärtige Decke mitzunehmen.
Madlen wurde den Eindruck nicht los, dass sie nach Strich und Faden übers Ohr gehauen worden war.
Jacop, bereits im Begriff, ebenfalls davonzureiten, blickte über die Schulter zurück. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, beteuerte er: »Es ist alles gültig, nach Recht und Gesetz nicht anzutasten. Du bist jetzt verheiratet, nur das zählt. Der Mönch wird eine Urkunde darüber ausstellen, die kriegst du noch.«
»So wie ich von dir meine fünf Goldstücke kriege, wie?«
Er errötete abermals. »Ich treibe das Geld auf, das verspreche ich!«
Madlen gestand sich ein, dass sie von Anfang an nicht wirklich geglaubt hatte, Geld von ihm zu bekommen. »Scher dich fort«, sagte sie barsch.
Er nickte erleichtert und nahm die Zügel auf.
»Warte«, befahl sie. »Eins will ich noch wissen. Was wirst du deinem Vater und deiner Mutter sagen?«
»Na, die Wahrheit. Dass du einen tüchtigen Brauer zum Mann genommen hast.« Er hielt kurz inne. »Meiner Mutter sage ich vielleicht außerdem, dass ich eigens in aller Frühe noch einmal zu dir geritten bin, um dich auf Knien um deine Hand anzuflehen, dass du aber leider in der Zwischenzeit schon den anderen gefunden hattest.« Er nickte. »Ja, das ist gut, das wird sie besänftigen.« Fröhlich schnalzend setzte er das Pferd in Bewegung. »Viel Glück und alles Gute, Madlen! Du wirst sehen, jetzt kommt für uns beide alles ins Lot!« Mit diesen Worten trabte er davon.
Madlen trieb den alten Gaul an, der sich auf gewohnt zögerliche Weise in Bewegung setzte. Während des Heimwegs blickte sie immer wieder über die Schulter zur Ladefläche, wo ihr frisch angetrauter Gatte wieder das Bewusstsein verloren hatte. Die Gugel, die sein Haupt verhüllt hatte, war herabgerutscht. Sein Haar war bis auf die Kopfhaut geschoren, der Schädel von blutigen Prellungen übersät. Er schien dem Tode näher zu sein als dem Leben. Mit wachsender Sorge fragte sie sich, was sie sich da wohl eingehandelt hatte.
Daheim angekommen, zitierte sie Caspar und die Lehrjungen herbei und befahl ihnen, den Mann ins Haus zu befördern.
»Bringt ihn hoch in die hintere Schlafkammer, aber seid vorsichtig, er ist verletzt.«
»Ins Wohnhaus?« Caspar betrachtete konsterniert die Jammergestalt. »Diesen nach Aas stinkenden Kerl? Wer ist das überhaupt?«
»Oh, ich habe ganz vergessen, es zu erwähnen. Er ist mein Ehemann.«
Zu Anfang bekam er nicht viel von seiner Umgebung mit. Die erste bewusste Wahrnehmung bestand darin, dass die Brauerin an sein Lager trat. Sie hielt ihm einen geschnitzten Heiland vor, zerrte seine Hand zu sich herüber, legte sie auf den Heiland und verlangte, dass er beim Blute Christi schwor, sie niemals zu berauben.
Er hielt mühsam die Augen offen. »Was wollt Ihr?«, murmelte er.
»Ich weiß, dass Ihr ein Räuber seid.«
Er gab keine Antwort. Was hätte er auch sagen sollen?
»Und nun seid Ihr in meinem Haus«, fuhr die Brauerin fort. »Ich habe Euch aufgenommen, damit Ihr genesen könnt. Ihr sollt mir beim Blute Christi schwören, dass Ihr mich nicht beraubt.«
»Deiero« , murmelte er.
»Was?«
»Ich schwöre.«
Später spürte er wie durch dicken Nebel, dass jemand ihn auszog und behutsam abwusch. Mit Mühe zwang er seine Augen einen Spalt auf, es war die Brauerin. Ihr Gesicht war tränenüberströmt, sie strich ihm sacht über die Stirn. Er wurde wieder ohnmächtig, und als er das nächste Mal an die Oberfläche des Bewusstseins trieb, war eine andere Frau bei ihm, doch es war dunkel, er sah nur ihre Umrisse und die Ärmel ihres grauen Gewands. Er empfand eine beschämende Hilflosigkeit, als ihm eine Windel umgelegt
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