Das Erbe der Carringtons
er sich zurück auf das Sofa setzte. Wahrscheinlich lag
das aber nicht an den Erinnerungen, sondern seinen Wunden und dem dämonischen
Gift, das immer noch durch seinen Köper strömte. Ohne sein schützendes Tattoo,
hätte er den Vorfall vermutlich nicht überlebt. Nun war wieder eines seiner
Tattoos ausgebrannt und pochte unangenehm auf seiner linken Schulter. Als
fühlte sich sein Körper nicht schlimm genug an. Dennoch, besser ein
schmerzendes Tattoo als der sichere Tod.
„…
Dummheit bringt dich noch um!“, hörte er Roberto schimpfen. Den Anfang des
Satzes hatte er nicht mitbekommen, glaubte aber, die Kernaussage verstanden zu
haben.
„Mir
geht es gut“, versicherte er dem alten Jäger, der als Antwort verächtlich
schnaubte. Ryan konnte es ihm nicht verübeln. Er war kein einfacher Patient.
Schon immer hatte er es gehasst, krank oder verletzt zu sein und jetzt passte
es ihm am allerwenigsten.
„Ich
muss wissen, was in Lunadar passiert“, verteidigte er sich. „Die Hexe, wegen
der ich das Amulett brauche, ist gefährlich.“ Das war ihm spätestens klar
geworden, als er gesehen hatte, wie der junge Mann, den sie verhext hatte, auf
Sarah losgegangen war. Lorraines Opfer waren bereit, alles für sie zu tun, auch
wenn sie sie nicht dazu aufforderte. Nach dem Angriff hatte Ryan das Gefühl
gehabt, als war Lorraine genauso überrascht gewesen wie alle anderen. Dass sie
das nicht geplant hatte, machte die Sache allerdings nicht besser, sondern
schlimmer. Nun musste er mit gezielten Anschlägen von ihr und zusätzlich noch
ungeplanten Angriffen ihrer Verehrer rechnen.
„Und
was würdest du tun, wenn du erfährst, dass sie Amok läuft?“, fragte Roberto.
„In deinem Zustand würdest du nicht mal lebend in Lunadar ankommen, wenn du
losfährst!“
Ryan
bedachte ihn mit einem wütenden Blick, musste sich aber eingestehen, dass er
recht hatte. Zu wissen, was vor sich ging, würde ihm nicht helfen. Im besten
Fall würde es ihn beruhigen, im schlechtesten zu einer Dummheit verleiten.
Bevor es ihm besser ging, war er niemandem eine Hilfe. Er würde sich darauf
verlassen müssen, dass Hans Sarah beschützte, sollte sie in Lebensgefahr sein,
und sich in der Zwischenzeit darauf konzentrieren, sich auszukurieren. Je
weniger er sich verausgabte, desto schneller würde er gesund werden. Da fiel
ein Spaziergang durch den Wald flach, egal wie sehr er das wollte.
„Das
ist besser. Du legst dich wieder hin und ich mache dir einen weiteren
Heiltrank. Du siehst immer noch ganz grün aus.“
Ryan
lächelte auf eine bittere Weise, gehorchte aber und streckte sich auf dem Sofa
aus. Ihm war ohnehin schwummrig vor Augen.
„Gut
so, und wenn du dich weiterhin wie ein braver Patient verhältst, verspreche ich
dir auch, mit deinem Handy auf den Hügel zu wandern, sobald mein Bein aufhört
mich bei jedem Schritt um den Verstand zu bringen“, fügte Roberto hinzu und
humpelte davon.
Nickend
sah Ryan ihm nach. Er wusste, dass sein Freund längst für ihn rausgegangen
wäre, wenn seine Verletzung ihn nicht daran hindern würde. Roberto hatte im
Kampf gegen die Dämonen mehr Glück gehabt, war aber nicht ungeschoren
davongekommen. Dennoch schwächte ihn kein Gift, wodurch er schneller wieder fit
sein würde.
Als
der alte Jäger in der Küche herumklapperte, schloss Ryan seine Augen und
versuchte zu schlafen, was jedoch nicht leicht war. Entweder spukte ihm Sarah
durch den Kopf oder die Walddämonen. Er wusste, dass er nur durch Glück mit
seinem Leben davon gekommen war und weil er einen zweiten Jäger an seiner Seite
gehabt hatte. In Zukunft musste er besser aufpassen und sich auf die Jagd
konzentrieren, anstatt mit seinen Gedanken woanders zu sein.
Gegen
Spätnachmittag saß Sarah in einem der Zimmer im zweiten Obergeschoss, das
voller Kisten war. Obwohl sie diese erst aufregend fand und sie ihr neue
Hoffnung gaben, enthielten sie nur Schrott. In einer waren beispielsweise alte
Spielsachen von ihr, die Sarah vor Jahren aussortiert und auf den Sperrmüll
gestellt hatte. Offensichtlich hatte sich ihre Mutter nicht davon trennen
können. Einerseits freute Sarah das, da es ein Anzeichen dafür war, dass sie
ihr viel bedeutet hatte, andererseits war sie genervt davon.
Mit
einem Seufzer schob Sarah eine Schachtel mit Liebesromanen zur Seite und zog
die letzte, ungeöffnete Kiste unter einem Stuhl hervor. Was sich wohl darin
befand? Ob es nutzloser als ihre Spielsachen sein konnte? Wenig enthusiastisch
entfernte sie den Deckel.
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