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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Inneren unaufhaltsam in glühende, alles andere auslöschende Furcht.
    »Ich muss zu ihr!«, presste er schließlich zwischen aufeinandergepressten Kiefern hervor und sprang auf. »Das ist alles meine Schuld!« Während sich die grässlichsten Befürchtungen in seinem Kopf jagten, schlug eine Woge erstickender Schuldgefühle über ihm zusammen. Es war sein Fehler! Das war der Preis, den er für seine Undankbarkeit und seinen Hochmut bezahlen musste.
    Ohne auf die Antwort seines Vaters zu warten, stürmte er aus der Halle, hastete über den Hof in den Stall und riss Zaumzeug und Sattel vom Haken. In Windeseile hatte er seinen Wallach aus der Box gezerrt und war gerade dabei, ihm die Trense zwischen die Zähne zu zwingen, als sein Vater ihn einholte. Die Hand, die sich um seinen Arm schloss, zog ihn sanft, aber bestimmt von dem schnaubenden Tier fort.
    »Du kannst nicht nach Ulm zurück«, stellte Wulf von Katzenstein sachlich fest. »Wenn die Männer Eberhard von Württembergs dich aufgreifen, hast du dein Leben verwirkt. Vergiss nicht den Vertrag, den du unterzeichnet hast.« Trotz der Wärme in den dunklen Augen des Ritters war deutlich, dass er seinem Sohn nicht nachgeben würde.
    »Das ist mir egal!«, gab Wulf heftig zurück und versuchte, sich loszumachen. »Außerdem hat er in der Stadt keinen Einfluss!« Seine Wangen glühten – teils vor Zorn, teils vor Scham, da es ihm nicht gelang, sich aus dem schraubstockartigen Griff seines Vaters zu befreien.
    »Wenn du überhaupt so weit kommst«, versetzte Wulf von Katzenstein ruhig und gab einem Stallknecht den Befehl, den Wallach zurück in die Box zu führen. »Ein Ritter muss lernen, seine Gefühle zu beherrschen«, belehrte er den jungen Mann, während er ihn in Richtung Hof bugsierte. »Ich weiß, dass dir viel an dem Mädchen liegt«, versuchte er seinen aufgebrachten Sohn zu beschwichtigen. »Aber bis zum Ende der Quarantäne kannst du nichts ausrichten. Die Posten haben Befehl, jeden zu töten, der ein Pesthaus betreten oder verlassen will.« Er drehte Wulf zu sich herum und packte ihn an den Schultern. Die Geduld seines Vaters wich allmählich dem Unmut.
    Blind vor Verzweiflung und Wut schleuderte der junge Mann ihm entgegen: »Ohne Brigitta ist mein Leben wertlos. Wenn Ihr mich nicht gehen lasst, dann müsst Ihr mich einsperren. Sonst kann mich nichts davon abhalten, sie zu befreien!« Seine Stimme bebte, und nur äußerste Willensanstrengung verhinderte, dass er zu einem heulenden Häufchen Elend zusammenbrach. Weshalb er die Ohrfeige, die der Ritter ihm versetzte, kaum spürte. »Fein«, knurrte dieser und beugte sich zu seinem Sohn hinab. »Wirf dein Leben weg. Aber glaube nicht, dass ich tatenlos dabei zusehe. Wenn du es darauf anlegst …« Er ließ den Satz unvollendet und brüllte: »Wache!«
    Sobald zwei seiner Männer mit gezogenen Schwertern aus der Wachstube geeilt kamen, befahl er knapp: »Bringt ihn ins Verlies.« An Wulf gewandt setzte er hinzu: »Vielleicht kommst du dort zur Besinnung.« Damit machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte zurück in die Halle, deren Tür er lautstark hinter sich zuknallte.
    Wenngleich offensichtlich verwundert über den Befehl ihres Herrn, fackelten die beiden Bewaffneten nicht lange, nahmen Wulf in ihre Mitte und trieben ihn durch das in den inneren Ring der Burg führende Tor. Mit energischen Schritten durchmaßen sie Höfe und Zwinger, bis sie an dem mächtigen Katzenturm anlangten, dessen Tor einer der Wächter mit einem riesigen Schlüssel aufsperrte. Ohne viel Federlesen entzündete der andere eine Fackel neben dem Eingang und entfernte ein Brett, das ein kreisrundes Loch im Boden des Turmes bedeckt hatte.
    »Bete, dass er dir nicht lange zürnt«, stellte der größere der beiden fest, bevor er Wulf packte und in das Angstloch stieß. Als dieser eineinhalb Mannslängen weiter unten auf dem harten Felsboden aufprallte, kreischte über ihm bereits die Tür in den Angeln und die sich entfernenden Schritte verrieten ihm, dass er alleine war.
    Lange Zeit blieb er regungslos dort liegen, wo er gelandet war, und nicht einmal das Huschen der Mäuse und Spinnen konnte ihn aus seiner Lethargie aufrütteln – bis plötzlich lodernde Wut in ihm aufstieg und ihn mit einem kehligen Schrei aufspringen ließ. Wie ein Wahnsinniger rannte er immer und immer wieder gegen die rauen Wände an, prügelte mit den Fäusten auf den glitschigen Stein ein, bis seine Hände bluteten, und brüllte sich die Seele aus dem Leib. Mit

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