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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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die Hand vor Augen sehen konnte. Bereits nach wenigen Schritten war Ortwin bis auf die Haut durchnässt, was seine Laune nicht gerade hob. Als er endlich die Apothekergasse erreichte, hielt er überrascht inne, da er um ein Haar mit dem Ende einer endlos scheinenden Schlange zusammengestoßen wäre. Als ginge nicht in diesem Moment die Welt über ihren Köpfen unter, standen sich etwa fünf Dutzend Männer, Frauen und Kinder vor einer hell erleuchteten Apotheke die Beine in den Bauch. Ein beißender Geruch, der trotz des Regens alles zu durchdringen schien, hing in der Luft, und als Ortwin einen reichen Händler aus dem Laden eilen sah, begriff er, was vor sich ging. Als berge das Gefäß seine unsterbliche Seele, umklammerte der Mann eine bauchige Flasche, in der eine grünliche Flüssigkeit mit jedem Schritt hin und her schwappte. Theriak und Priestersalz! Das war es, was die Leute hier wollten. Hatte er selbst nicht erst gestern dem Unglücklichen, der ihn in dieses Viertel geführt hatte, ein Fläschchen abgenommen, um diesem einen Tag Aufschub von seinen Zahlungsverpflichtungen zu gewähren?
    Seit er am Morgen einige Tropfen in seinen Wein gemischt hatte, fühlte Ortwin sich stärker und gesünder, um nicht zu sagen gefeit vor der Pest. Seine Mundwinkel verzogen sich verächtlich. Wenn diese Einfaltspinsel wüssten, dass der Apotheker sie betrog! Dies und einiges mehr hatte ihm der verschuldete Quacksalber anvertraut, um sich weitere Schläge zu ersparen. Wimmernd hatte er Ortwin sein Leid geklagt, das damit seinen Anfang genommen hatte, dass er einem Bauern eine Ladung verfaulten Mohn abgekauft hatte. Bevor er den Betrug bemerkt hatte, war der Mann mit seinem Geld über alle Berge gewesen. Erstaunlich, wie Schmerzen die Zunge lösen konnten, dachte Ortwin und eilte weiter. Als er schließlich tropfend und übellaunig an die niedrige Tür klopfte, hoffte er beinahe, dass der Schuldner ihm einen Grund geben würde, erneut Gewalt anzuwenden. Obgleich der Tag brütend heiß gewesen war, hatte das Gewitter die Luft inzwischen so weit abgekühlt, dass er fröstelnd die Schultern hochzog, während er auf Antwort wartete.
    »Macht auf!«, rief er ungehalten und donnerte die Spitze seines Stiefels gegen die Tür, die mit einem Knarren nachgab. Erstaunt schob er sie weiter auf und trat in den muffigen Raum, der von einem schwachen Glimmen in der Feuerstelle kaum erhellt wurde. Misstrauisch entzündete er einen Kienspan an der ersterbenden Glut und durchsuchte den Nebenraum und die winzige Abstellkammer, doch auch dort war keine Spur von dem Mann zu finden. Der Vogel war ausgeflogen! Er stieß eine gotteslästerliche Verwünschung aus und grub die Hand in den feuchten Schopf. Vielleicht sollte er es dem Unglücklichen gleichtun. Denn was, wenn der Geldverleiher ihn dafür verantwortlich machte?

Kapitel 32

    Burg Katzenstein, Anfang Juli 1368

    »Das ist wohl nicht so einfach wie eine Kelle zu schwingen«, raunte Friko von Oettingen Wulf von Helfenstein ins Ohr, nachdem er ihn zum wiederholten Mal zu Boden gestreckt hatte. Keuchend schlug dieser die mit einem verächtlichen Feixen angebotene Hand beiseite und rappelte sich aus eigener Kraft auf die Beine.
    »Spitzeisen, nicht Kelle!«, spuckte er wütend aus und rammte seinem Widersacher das hölzerne Schwert in die Kniekehlen, sodass auch der junge Oettinger fluchend den Halt verlor. Bevor er nachsetzen und Friko das blaue Auge, das dieser ihm geschlagen hatte, heimzahlen konnte, drosch der Jüngere ihm die Faust auf die Nase, die immer noch die Spuren des Kampfes mit Ortwin trug.
    »Vielleicht hättest du bei deinem Leisten bleiben sollen, oder wie auch immer das bei euch heißt«, spottete Friko und wälzte sich auf ihn, um den Kampf ganz und gar unritterlich fortzusetzen. Erbarmungslos bearbeitete er den unter ihm liegenden Wulf mit den Fäusten, während dieser versuchte, dem rittlings auf ihm sitzenden Knappen das Knie in den Rücken zu treiben. »Du bist doch nicht mehr als ein Bauernlümmel!« Außer der Beleidigung traf Wulf der Ellenbogen des Sechzehnjährigen, der ihm im Kampf haushoch überlegen war. Zwar hatte der Waffenmeister Bolko Wulf ein beachtliches Talent im Bogenschießen und Laufen attestiert, doch fielen ihm sowohl der Umgang mit der Schwertattrappe als auch die Handhabung von Lanze und Schild so schwer, dass er befürchtete, ein hoffnungsloser Fall zu sein. Ganz abgesehen von seiner eher bescheidenen Geschicklichkeit als Reiter.
    »Warum kriechst

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