Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
Tochter durchkämmt hatte. »Weiß der Teufel, wie sie es geschafft hat«, endete er schließlich und starrte auf den gestampften Lehmboden der Halle, in den verfaulte Strohhalme eingetreten waren.
Die eisige Furcht, die Ortwin ins Mark fuhr, ließ ihm die Knie weich werden. Haltsuchend lehnte er sich an eine Wand des gemauerten Untergeschosses und dachte fieberhaft nach, während Ulrich von Ensingen sich in düsterem Brüten erging.
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Er musste sie finden! Das war der einzige Weg, wie er es noch schaffen konnte, das drohende Schicksal der vollkommenen Demütigung oder gar Versklavung abzuwenden. Wenn es ihm nicht gelang, sie aufzutreiben und vor den Altar zu schleifen, dann war der einzige Ausweg, aus Ulm zu fliehen. In eine andere Stadt oder ein anderes Land, in dem er vor der Gier des Geldverleihers sicher war. Ein Stöhnen fand den Weg über seine Lippen, und Ulrich hob müde den Kopf.
»Gebt mir ein Pferd und etwas Geld«, platzte Ortwin heraus. »Wenn ich sie nicht innerhalb einer Woche aufgetrieben habe, will ich verdammt sein!« Die Adern an seinem Hals traten hervor, als er sich bemühte, seine Wut zu schlucken. Ein kühler Kopf war jetzt wichtiger als alles andere, ermahnte er sich und bohrte den Blick in Ulrichs blaue, vom Aufruhr der Empfindungen getrübte Augen. Er musste den Baumeister dazu bringen, ihm soviel Geld wie möglich anzuvertrauen – dann konnte er sich aus dem Staub machen, wenn seine Suche erfolglos blieb.
»Denkt nur daran, was die anderen sagen, wenn sie erfahren, dass Eure Tochter sich Euren Wünschen widersetzt!«
Dieses Argument ließ den Steinmetz die Brauen zusammenschieben. »Du hast recht«, erwiderte er schließlich mit einem Seufzen und stemmte sich in die Höhe. Ungeschickt nestelte er an seinem Gürtel und befreite einige Münzen aus der hasenledernen Geldkatze. »Tu, was du kannst«, versetzte er heiser. »Finde sie! Wenn nötig, binde sie und prügel sie vor dir her wie eine Verbrecherin«, knurrte er. »Denn etwas anderes ist sie nicht!« Mit diesen Worten wandte er sich in Richtung Hof, wo er in den Stallungen verschwand.
Als der Geselle eine halbe Stunde später eine lohfarbene Stute am Zügel durch das Tor führte, hatte er zwar die Taschen voller Schillinge aber keine Ahnung, wo er mit seiner Suche anfangen sollte. Ratlos blickte er sich einige Male um, bevor er sich in den Sattel zog und in Richtung Marktplatz davontrabte. Vielleicht wusste ihre Schwester, wo sich die kleine Dirne verkrochen hatte, dachte er hitzig und malte sich aus, wie er die Nonne dazu bringen konnte, ihm die gewünschte Auskunft zu geben. Als seine Männlichkeit sich zu Wort meldete, verzog er mürrisch das Gesicht. Wenn er Brigitta gefunden hatte, würde er sich als Allererstes das nehmen, was ihm zustand! Zwar hatte er in der Zwischenzeit das eine oder andere Mal das städtische Badehaus aufgesucht, doch den Huren dort war es nicht gelungen, ihn angemessen zu befriedigen. Er rutschte im Sattel hin und her. Wie langweilig es war, wenn sie sich ihm allzu willig hingaben!
Erregt und bange zugleich setzte er seinen Weg fort, bis schließlich das Heilig-Geist-Spital vor ihm auftauchte. Bevor er vom Rücken seines Reittieres glitt, kämpfte sich der Gedanke an die Oberfläche, der die ganze Zeit um seine Aufmerksamkeit gerungen hatte. Wer bei allen Heiligen war der Kerl mit dem Kater gewesen?!
Kapitel 41
Burg Katzenstein, Anfang August 1368
»Was soll das heißen?« Wulf von Katzensteins Stimme überschlug sich im Zorn, und der Schlag, den er Friko von Oettingen versetzte, ließ diesem augenblicklich das Blut aus dem Mundwinkel schießen. »Dir werde ich das Lügen austreiben!« Außer sich vor Empörung über die Anschuldigungen, welche der Neffe seiner Gemahlin gegen diese vorgebracht hatte, hob er erneut die Hand, um einen weiteren Hieb mit dem Handrücken folgen zu lassen. Die Wucht des Aufpralls schleuderte Frikos Kopf zur Seite, und es hätte nicht viel gefehlt, dass er das Gleichgewicht verlor.
Voller Trotz wischte der Gezüchtigte sich mit dem Ärmel das Blut aus dem Gesicht, während er Wulf mit vorgeschobenem Kiefer die Stirn bot. »Es ist die Wahrheit«, zischte er und hob das Kinn, als Wulf erneut ausholte. Abgrundtiefer Hass loderte in den zu Schlitzen verengten Augen des Knaben, den der Stallmeister vor den Burgherrn gezerrt hatte.
Obschon er den Burschen am liebsten windelweich gedroschen hätte, ließ Wulf resigniert den Arm sinken und stemmte die Fäuste in die
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