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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Liebe, die er in ihren Augen lesen konnte, schnürten ihm die Kehle zu.
    »Ich liebe dich so sehr«, wisperte sie und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. »Ich will nicht mehr leben, wenn du mich nicht liebst.« Ein heftiges Schluchzen raubte ihr die Stimme, und Wulf, dem ebenfalls Tränen in den Augen standen, drückte sie fester an sich.
    »Ich liebe dich auch«, flüsterte er und ließ die Hände von ihrem Rücken zu ihrem Nacken wandern, den er mit Daumen und Zeigefinger liebkoste. »Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals wieder jemanden so sehr lieben könnte.« Er vergrub die Nase in ihren Locken und gab sich dem Gefühl der in ihm aufsteigenden Leidenschaft hin. Behutsam schob er das ruinierte Gewand über ihre Hüften und hob sie mühelos in seine Arme, um sie auf der von einem Baldachin überspannten Bettstatt abzulegen. Daraufhin schlüpfte er hastig aus den eigenen Kleidern und drängte sich neben sie, um all das Unrecht, das er ihr zugefügt hatte, wiedergutzumachen.

Kapitel 42

    Altheim, Anfang August 1368

    Durchdringend hing der Klang der Sterbeglocke über den Dächern des trauernden Dorfes. Obschon der Leichnam des erstgeborenen Meiersohns noch vor Sonnenaufgang, direkt nach der Laudes , zu Grabe getragen worden war, waren beinahe alle Bewohner Altheims zusammengeströmt.
    »Der Herr gebe seiner Seele Frieden und bewahre sie bis in alle Ewigkeit. Amen.«
    Die ohnehin dünne Stimme des alten Dorfpfarrers ging in dem schrillen Läuten unter, und als die Helfer begannen, das Grab zuzuschaufeln, wandte Brigitta der Versammlung mit gemischten Gefühlen den Rücken zu. Einerseits hatte sie den hochfahrenden Erben des Meiers nicht besonders gut leiden können, da er in den vergangenen Wochen immer wieder versucht hatte, unter ihre Röcke zu gelangen. Doch andererseits schämte sie sich für die unpassende Erleichterung, welche die Nachricht von seinem Dahinscheiden ihr beschert hatte. Sie senkte den Kopf, als sie sich an dem hoch aufragenden Kreuz am Eingang des Gottesackers vorbeidrückte, von dem ein wundervoll geschnitzter Jesus auf die Gräber hinabschaute.
    »Vergib mir, Herr«, murmelte sie und eilte weiter, um vor den anderen auf dem Hof anzukommen. Jetzt, da Thomas das Gut erben würde, bestand für ihre Schwester kein Grund mehr zur Sorge, dachte sie, als sie den Blick über den reichen Besitz wandern ließ. Und erneut hob ihr schlechtes Gewissen sein Haupt. War es nicht eigennützig und sündig, an die Vorteile zu denken, welche aus dem Tod eines anderen Menschen entstanden?, fragte sie sich zerknirscht und schalt sich der Selbstsucht. Sollte sie nicht lieber all ihre Kraft darauf verwenden, dafür zu beten, dass die Pest sich tatsächlich ausgetobt hatte und mit dem Meiersohn einer der letzten Erkrankten der Geißel Gottes erlegen war? Sie umklammerte ihr Korallenhalsband und hastete weiter – an den Katen der Häusler vorbei, über ein abgeerntetes Kornfeld –, bis sie an der Umzäunung des Hofes anlangte. Während sie über den freien Platz vor den Ställen huschte, dachte sie an Clementines Freude, als diese festgestellt hatte, dass keine weiteren Dorfbewohner die verräterischen Zeichen der todbringenden Seuche zeigten.
    »Es scheint, als ob Gott seine Gnade walten lässt«, hatte diese mit einem Strahlen verkündet, als sich das Fieber des Schmiedes als Folge einer harmlosen Sommererkältung herausgestellt hatte.
    Wenn sie nur recht behielt!, hoffte Brigitta, der die Pest mehr Angst einjagte als sie sich jemals eingestanden hätte. Um nicht über sie zu stolpern, wich sie einer der frei laufenden Ziegen aus, die ihr mürrisch hinterhermeckerte.
    Bevor sie das flache Gebäude betrat, in dem die Knechte und Burschen schliefen, versicherte sie sich nervös, ob sie tatsächlich alleine war. Denn auf keinen Fall wollte sie sich von einem der raubeinigen Gesellen dabei erwischen lassen, wie sie deren Kleider stahl. Begleitet von einem flauen Gefühl in der Magengegend legte sich ein Prickeln über ihre Kopfhaut, als sie auf Zehenspitzen den sauber gefegten Gang entlangschlich und nacheinander ein halbes Dutzend Türen aufstieß. Um zu verhindern, dass ihre Tat allzu schnell entdeckt wurde, beschränkte sie sich darauf, nur ein Kleidungsstück pro Kammer mitzunehmen, und sobald sie das Nötigste unter ihrer Schürze versteckt hatte, nahm sie die Beine in die Hand. Keinen Augenblick zu früh, wie sich herausstellte, als sie sich auf den Weg zu einer der riesigen Scheunen machte, in

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