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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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ihres Vaters geflüchtet.«
    Das schockierte Schweigen der Bauern wirkte wie eine Mauer. Einige Momente starrten die Dörfler Brigitta halb erschrocken, halb empört an, bevor sich die Lähmung von ihnen löste und sie anfingen, untereinander zu tuscheln. Ehe Ortwin dazu kam, weitere Erklärungen abzugeben, prallte mit einem Mal dicht vor ihm ein Stein auf dem Boden auf.
    »Schamlos wie Eva!«, keifte eine schrille Stimme, und augenblicklich folgte dem ersten Wurfgeschoss ein zweites.
    »Wegen solcher Dirnen bestraft uns der Herr mit der Pest! Auspeitschen sollte man sie!«
    Im Handumdrehen war die Ansammlung bedrohlich näher gerückt, und beinahe bereute Ortwin seine List, die offensichtlich nicht das erreichte, was er bezweckt hatte. »Ehebrecherinnen soll man steinigen!«, brüllte eine alte Vettel, deren Gesicht von eitrigen Furunkeln entstellt war.
    Weitere Stimmen fielen in den misstönenden Kanon ein, der nur widerwillig verstummte, als der Meier nach einigen gefährlichen Augenblicken der Ratlosigkeit endlich die Arme hob.
    »Ruhe!«, bellte er ungehalten. Mit einem Wink befahl er den kräftigen Männern, die Rotte im Zaum zu halten, während er sich Hilfe suchend an den Pfarrer wandte, der – hochgewachsen und asketisch – inzwischen ebenfalls in den Ring getreten war, um dem Spektakel auf den Grund zu gehen.
    »Derjenige, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein«, tönte dieser mit sonorer Stimme und hob das hölzerne Kruzifix, das an seinem Hals hing, in die Höhe, als habe es die Macht, die Meute zu bändigen. Tatsächlich verstummten die Bauern auch umgehend und senkten reumütig die Häupter.
    »Ist es wahr, was er sagt, mein Kind?«, wandte er sich an Brigitta, die ebenfalls beschämt die Augen niederschlug.
    Eine Zeit lang war das Rascheln der Blätter und ein gelegentliches Räuspern das Einzige, was zu hören war, bis die junge Frau kaum wahrnehmbar nickte und hörbar die Luft ausstieß. »Ja«, hauchte sie, da sie – wie Ortwin annahm – nicht wagte, einen Mann Gottes zu belügen. Als der Steinmetz sah, wie sich die Miene des Pfaffen verhärtete, frohlockte er innerlich. Das Blatt schien sich doch noch zu seinen Gunsten zu wenden! »Dann ist er im Recht und du wirst dich seinem Willen beugen«, verkündete der Prediger. »So steht es in der Heiligen Schrift geschrieben.« Er hob die Hand, um auf ihre zerschlissenen Beinlinge zu deuten, die ihm ein missfälliges Naserümpfen entlockten. »Dort belehrt uns der Herr auch, dass es Sünde ist, wenn eine Frau Männerkleidung anlegt.« Er runzelte die Brauen und setzte an Ortwin gewandt hinzu: »Ihr solltet so bald wie möglich dafür sorgen, dass sie ihre Blöße anstandsgemäß bedeckt.« Damit wendete er sich mit aneinandergelegten Handflächen ab, nickte dem Meier zu und verschwand in der verfallen wirkenden Kirche.
    Da die Worte des Geistlichen die Wogen geglättet zu haben schienen, begann die Menge bald, sich zu zerstreuen, obgleich die Gaffer Brigitta noch einige Momente neugierig anstarrten.
    »Das hätte ins Auge gehen können«, brummte Ortwin, als auch der Meier und seine Männer den Rückzug angetreten hatten, und ergriff Brigittas Oberarm, um sie in die Taverne zu zerren.
    Dort verneigte sich der Wirt, der den Vorfall hinter der angelehnten Tür verfolgt hatte, mit einem unterwürfigen Lächeln, während seine kleinen Äuglein zwischen Ortwin und Brigitta hin und her schossen.
    »Hast du eine Kammer für mich, Mann?«, fragte Ortwin barsch und warf einige Münzen auf den Tisch, die der Wirt gierig einsammelte.
    »Ihr könnt in meiner Stube schlafen«, gab dieser eifrig zurück, nachdem er die Pfennige in die Tasche seines Rockes hatte fallen lassen. »Weib!«, brüllte er. »Kehr die Stube und richte das Bett.« Wenngleich er keine Antwort erhielt, verriet heftiges Poltern aus den Tiefen des Hauses, dass die Angesprochene tat wie befohlen, und da Ortwin hungrig war, bestellte er ein herzhaftes Mahl.
    »Der Braten braucht noch eine halbe Stunde«, entschuldigte sich der Mann, und erst jetzt nahm Ortwin den köstlichen Geruch garenden Fleisches wahr.
    »Schon gut«, versetzte er kurz angebunden und beförderte seine Gefangene mit einem Stoß in den Rücken an der Feuerstelle vorbei in Richtung Stube, sobald die Gattin des Wirtes zurück in die Küche gehuscht war.
    Mit einem Laut, der halb Knurren, halb Seufzen war, trat er die Tür hinter sich ins Schloss und schleuderte Brigitta auf die klumpige Matratze. Außer dem schmalen Bett,

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