Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
furchtbaren Krampf in den Nackenmuskeln ein, der ihn um ein Haar dazu gezwungen hätte, sein Pferd zu zügeln.
Anstatt den Schmerz die Oberhand gewinnen zu lassen, zwang er sich dazu, das lähmende Pochen zu unterdrücken und dachte an das Erstbeste, das ihm außer der Beute, die er jagte, noch einfiel. Der buckelnde Kater! Gegen das in Wellen auftretende Unwohlsein ankämpfend, versuchte er sich an den Wappenrock des Mannes zu erinnern, der bei Ulrich von Ensingen vorgesprochen hatte. Wer immer dieser Kerl gewesen war, eines war Ortwin inzwischen klar geworden: Es konnte kein anderer hinter dessen unvermutetem Auftauchen stecken als dieser verfluchte Wulf! Irgendwie musste der Bursche seinen Hals aus der Schlinge gezogen haben, die Ortwin ihm so gerne eigenhändig geknüpft hätte.
Da er sich allmählich dem Saum eines weitläufigen Waldstückes näherte, zügelte er seine Stute, bis sie in einen gemächlichen Trab fiel. Gerade wollte er überlegen, wo er am besten anfangen sollte zu suchen, als ihm eine Gestalt auffiel, die etwas mehr als eine Meile vor ihm die Hand an die Stirn hob, um in die Ferne zu spähen. Während die Vorfreude auf die bevorstehende Hatz seine Beschwerden und alle Gedanken an Wulf mit einem Schlag verdrängte, fixierte er mit zusammengekniffenen Augen sein Ziel.
Sollte er das Netz tatsächlich an der richtigen Stelle ausgeworfen haben?
Mit einem Zungenschnalzen trieb er sein Pferd wieder an und galoppierte auf den einsamen Wanderer zu, der – kaum hatte er begriffen, dass die Aufmerksamkeit des Reiters ihm galt – kehrtmachte, um zurück in den Wald zu laufen.
Angestachelt von dem durch seine Adern pulsierenden Jagdfieber preschte Ortwin in selbstmörderischem Tempo hinter dem Fliehenden her. Kaum hatte er auf gleiche Höhe mit diesem aufgeschlossen, brachte er ihn mit einem brutalen Schlag in den Rücken zu Fall. Der spitze Schrei, der dem so Gefällten entfuhr, bestätigte seine Vermutung. Nachdem er die Stute mit einem Ruck am Zügel gewendet hatte, trabte er drohend auf den am Boden Liegenden zu.
Die fadenscheinigen blauen Hosen waren von dem Sturz an einigen Stellen zerrissen, und als der Bursche auf Gesäß und Ellenbogen vor Ortwin zurückweichen wollte, verfing sich seine Gugel in einem krüppeligen Schlehenbusch. Zwar verrutschte die Kapuze nicht viel mehr als ein oder zwei Fingerbreit, doch blitzte gerade so viel der blonden Lockenpracht darunter hervor, dass Ortwin triumphierend die Zähne bleckte.
»Dachte ich es mir doch«, knurrte er und ritt gefährlich nahe an das Mädchen heran, dessen Rückzug von einem struppigen Dickicht aufgehalten wurde. Einige ihrer Siebensachen kullerten aus dem Beutel, den sie hatte fallen lassen. Sie gerieten unter die Hufe der Stute und zerbrachen mit einem lauten Knacken. »Bitte nicht!«, flehte die junge Frau erstickt und hob beschwörend die Hände.
»Hattest du im Ernst gedacht, du könntest mir entkommen?«, stieß Ortwin hervor und sprang aus dem Sattel, um sich zu nehmen, was ihm von Rechts wegen zustand. »Nein! Lass mich!« Während seine Linke sie am Kragen packte und auf die Füße riss, holte er mit der Rechten aus, um ihr einen harten Schlag zu versetzen, der ihren Kopf zur Seite schleuderte. »Dir werde ich die Halsstarrigkeit austreiben!«, brüllte er und wollte gerade seinen Gürtel lösen, als ihn ein heftiger Hustenanfall überraschte.
Als habe ihm jemand ein Messer in die Brust getrieben, durchzuckte ihn ein solch stechender Schmerz, dass er einen Augenblick den Griff lockerte, um am Halsausschnitt seines Rockes zu zerren.
Diese Gelegenheit nutzte Brigitta, um ihm mit aller Kraft das Knie in den Unterleib zu rammen, bevor sie sich schwer wie ein Mehlsack zu Boden fallen ließ. Der Stoff ihres Hemdes entglitt ihm, als er mit einem Grunzen zusammensackte und schützend die Hände in den Schritt presste.
Bevor Ortwin begriffen hatte, wie es dazu gekommen war, war ihm die Beute entschlüpft, und als er sich stöhnend wieder aufrichtete, hatte sie bereits mehrere Steinwürfe zwischen sich und ihren Peiniger gebracht. Um Atem ringend, wischte er sich mit dem Ärmel über den Mund und registrierte befremdet, dass sich der helle Stoff rot verfärbt hatte. Da er die Kleine jedoch verlieren würde, wenn er nicht umgehend handelte, unterdrückte er den Schmerz und setzte ihr so schnell nach, wie es sein schmerzender Unterleib zuließ. Obschon er nicht in Höchstform war, hatte er sie nach weniger als einer halben Meile
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