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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Kopfschütteln beantwortet worden. »Eigentlich haben wir ihn bereits gestern zurückerwartet«, hatte der Stellvertreter des obersten Ordensbruders Wulf bei seiner Ankunft im Spital wissen lassen. »Aber es ist eine lange Reise.«
    Weil niemand sonst dem jungen Mann Auskunft über Schwester Clementine geben konnte – oder, so hatte er das Gefühl, wollte – blieb ihm nichts anderes übrig als zu warten und zu hoffen, dass seine Gebete erhört wurden und der Abt unversehrt nach Ulm zurückkehrte. Denn ansonsten hätte ihn Ulrich von Ensingens Vorschlag in eine Sackgasse geführt.
    Erfüllt von einer Mischung aus Dankbarkeit und Aufregung trat er zwischen den Ordensvorsteher und eine Handvoll Brüder, die in der Zwischenzeit herbeigeeilt waren, um ihr Oberhaupt gebührend zu empfangen.
    »Vater«, begrüßte er den kahlen Abt mit einer ehrerbietigen Verneigung. »Vergebt mir meine Eile, aber ich muss Euch umgehend sprechen.«
    Die dichten Brauen des alten Mannes schoben sich missfällig zusammen, als er die Erscheinung des Besuchers von oben bis unten mit strengem Blick abtastete. Abwehrend hob er die mit Ringen überladene Hand und schien Wulf gerade abwimmeln zu wollen, als dieser mit einem Griff in seine Geldkatze dafür sorgte, dass sich der Gesichtsausdruck des Mönches wie von Zauberhand berührt wandelte.
    »Wie kann ich Eure Großzügigkeit vergelten?«, fragte der in kostbare Reisegewänder gekleidete Kirchenmann honigsüß, nachdem er den Gulden in seinem eigenen Beutel verstaut hatte. »Ihr scheint ein anständiger Mensch zu sein«, fügte er mit einem habgierigen Blick auf Wulfs Gürtel hinzu und winkte einen Mann herbei, dem er befahl, seine Reisebündel ins Abthaus zu schaffen.
    Wulfs Mund verzog sich zu einem müden Lächeln. Täuschte er sich oder zeichnete sich in letzter Zeit ein Muster ab? Wer Geld hatte und dieses bereitwillig mit anderen teilte, schien ein überaus beliebter Zeitgenosse zu sein. Seine Miene verdüsterte sich wieder, als er dem Abt seine Bitte vortrug.
    »Oh, da seid Ihr nicht der Erste«, spuckte der alte Mann mit überraschender Heftigkeit aus, als Wulf geendet hatte. »Ihr Bräutigam hat mich ebenfalls aufgesucht«, versetzte er verächtlich, wobei er das Wort ungläubig betonte. »Direkt vor meiner Abreise nach Augsburg.« Seine Ringe blitzten auf, als er die Fäuste ballte. »Was für ein ungehobelter Mensch! Gott wird ihn für seine Unverschämtheit bestrafen.«
    »Was habt Ihr ihm gesagt?«, unterbrach Wulf die sich anbahnende Tirade. Doch es dauerte eine Weile, bis er eine Antwort erhielt, da die Erinnerung an die Begegnung mit Ortwin den Ordensvater vor Zorn beben ließ. Erst als dieser sich wieder beruhigt hatte – ein Prozess, der durch ein paar weitere Münzen beschleunigt wurde –, erfuhr der junge Mann, was er wissen wollte.
    »Geht mit Gott«, schickte der Mönch seinem großzügigen Besucher hinterher, als dieser in Richtung der Stallungen lief, um sein Pferd aus der Box zu holen.
    Als er wenig später das Herdbruckertor hinter sich ließ, war Wulf so angespannt, dass sein Wallach – der die Erregung seines Herrn spürte – nervös den Kopf auf und ab warf. Vier Tage Vorsprung!, haderte er verbittert. Wie sollte er diesen Zeitverlust jemals wettmachen?! Verzweiflung stieg in ihm auf, als er sich ausmalte, was inzwischen alles geschehen sein konnte. Was, wenn Ortwin Brigitta bereits gefunden hatte? Allein die Vorstellung, dass seine grobschlächtigen Pranken sie berühren könnten, bereitete ihm beinahe körperliche Schmerzen. Ein gequältes Stöhnen kam über seine Lippen, als er an die Szene im Holzlager zurückdachte. Die ungezügelte Lust, die in dem halb irren Blick Ortwins gebrannt hatte, ließ ihn sein Reittier bis zur Erschöpfung über Stock und Stein jagen.
    In fieberhafter Eile legte er Meile um Meile zurück, während sich sein Kopf leerte und sein Blickfeld immer mehr einengte. Wenn sie Ortwin Widerstand leistete, was sollte diesen dann davon abhalten, sie ebenso kaltblütig zu ermorden wie die Frau, die er in der Donau ertränkt hatte? Die Erinnerung an den Anblick des auf den Wellen schaukelnden, leblosen Körpers schnürte Wulf vor Grauen die Kehle zu, und er presste so heftig die Fersen in die Flanken seines Reittieres, dass dieses empört wieherte. Als der Falbe in der Hinterhand ausbrechen wollte, schlug Wulf ihm derb mit dem Zügel über den Hals und hetzte ihn erbarmungslos weiter in Richtung Norden. Weder sah er die am Wegesrand

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