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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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zwang er sich, an die vor ihm liegende Aufgabe zu denken. Wo sollte er anfangen zu suchen?, fragte er sich unschlüssig, während er sich der Münsterbaustelle näherte, auf der am heutigen Sonntag die Arbeit ruhte. Was, wenn die Magd nicht aufzufinden war? Seit der letzten Begegnung mit ihr hatte er sie nicht mehr gesehen, und beinahe bedauerte er, dass er sie so hart angefasst hatte. Ohne sie war sein Plan nicht durchzuführen. Nachdem er sich vorsichtig umgeblickt hatte, huschte er von Strebepfeiler zu Strebepfeiler, spähte in Winkel und Ecken und wollte gerade aufgeben, als er ihren blonden Schopf hinter einem der Ziegelöfen aufblitzen sah. Der halbwüchsige Bengel, der sich mit in Flammen stehenden Wangen davonschlich, beschleunigte stolpernd die Schritte, als er Ortwins mächtige Gestalt hinter dem Ofen auftauchen sah.
    »Du bleibst!«, befahl er barsch, als sich die mit einem Schlag kalkweiße Bäckersmagd ebenfalls aus dem Staub machen wollte. Eine kräftige Ohrfeige erstickte ihren Widerstand im Keim, und einen Moment genoss er den Anblick der maßlosen Furcht, die sie lähmte. Wie schade, dass er ihre Dienste anderweitig benötigte! Schweren Herzens ließ er von ihr ab, stemmte jedoch die Hände rechts und links von ihr gegen die Backsteine, um zu verhindern, dass sie floh.
    »Hör schon auf mit der Flennerei!«, herrschte er sie an und zog eine Handvoll silberner Pfennige aus der Tasche, die im grellen Licht der Nachmittagssonne funkelten. Augenblicklich versiegten die Tränen, als das Mädchen begriff, dass er sie für etwas bezahlen wollte.
    »Das ist nur die Hälfte von dem, was du verdienen kannst, wenn du tust, was ich dir sage«, lockte er und ließ die Geldstücke genüsslich vor ihr auf den staubigen Boden fallen. Während er ihr dabei zusah, wie sie den Schatz gierig auflas, lauschte er auf das schrille Kreischen der Schwalben, deren tiefer Flug ein bevorstehendes Gewitter ankündigte. Seit dem Morgen regte sich kaum ein Lüftchen in der schwülen Hitze, die Ortwin allmählich Kopfweh bereitete.
    Genüsslich ließ er den Blick über ihren prall geschnürten Busen gleiten, der nur notdürftig von dem schmutzigen Stoff bedeckt wurde. Das ausladende Hinterteil hätte ihn um ein Haar dazu verleitet, sie entgegen besserem Wissen zu packen, die Röcke hochzuschieben und von hinten zu nehmen. Doch gerade als er fürchtete, die Kontrolle zu verlieren, kam sie geschmeidig wieder auf die Beine.
    »Was soll ich tun?«, fragte sie mit dem Anflug eines frechen Grinsens, das er ihr am liebsten aus dem Gesicht geprügelt hätte. Wenn ihre Mithilfe für sein Vorhaben nicht unabdingbar gewesen wäre, hätte er dem Drang nachgegeben, sie daran zu erinnern, wer der Herr war. So jedoch blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Zorn zu schlucken und ihr seine Absicht zu erläutern.
    »Das wird nicht einfach sein«, wandte sie ein, nachdem er geendet hatte. »Und außerdem nicht ungefährlich.« Ihre Augen weiteten sich gierig. »Ich bin nicht sicher, ob die Bezahlung ausreicht.«
    So schnell, dass sie nicht einmal den Mund zu einem Schrei öffnen konnte, zuckten Ortwins Hände an ihre Kehle, die sie so fest umschlossen, dass er ihren sich beschleunigenden Puls spüren konnte. Beinahe nachdenklich hob er sie gerade so weit vom Boden auf, dass ihre Zehenspitzen vergeblich nach dem körnigen Sand der Baustelle tasteten. Den Mund dicht an ihrem linken Ohr zischte er drohend: »Du solltest schleunigst lernen, den Bogen nicht zu überspannen. Wer weiß, was dir sonst alles zustoßen könnte.« Er schüttelte sie wie eine nasse Katze und genoss das Wimmern, mit dem sie um Gnade flehte. »Wenn du noch einmal versuchst, mich zu erpressen, wird mein Gesicht das Letzte sein, was du in deinem armseligen Leben zu sehen bekommst!«
    Da sie ersticken würde, wenn er den Griff nicht bald lockerte, stieß er sie heftig von sich und kniete sich neben sie in den Staub. »Fronleichnam an der vereinbarten Stelle! Keinen Tag später, oder du machst die Bekanntschaft des Teufels!« Damit spuckte er zum Abschied aus, kam zurück auf die Beine und stürmte in Richtung Chor davon.
    Er wollte gerade in die Schatten des südlichen Chorturmes eintauchen, als er laute Stimmen vernahm, die aus der Nische des Marienportals an der Südseite des Langhauses drangen.
    »Ach, hört doch auf mit der Heuchelei!«, forderte das tiefe Organ Ulrich von Ensingens. »Wir wissen doch alle, dass Ihr mit dieser Farce lediglich eines bezweckt. Nämlich die

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