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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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fragte sie, doch als ihr klar wurde, was ihn erschreckt hatte, winkte sie wegwerfend ab. »Wenigstens weißt du jetzt, dass ich noch unberührt war.«
    Als er empört aufbrausen wollte, kam auch sie auf die Beine und stellte sich vor ihm auf die Zehenspitzen. »Von jetzt an gehöre ich dir«, wisperte sie rau und spitzte die Lippen, um ihn ein letztes Mal dazu zu bewegen, sich zu ihr hinabzubeugen. »Ganz egal, was geschieht, daran kann niemals jemand etwas ändern«, fügte sie hinzu, nachdem sie sich von ihm gelöst hatte, um ebenfalls die Kleider wieder überzustreifen. »Und jetzt geh. Ich werde auf eine Nachricht von dir warten.«
    Obschon Wulf jeder einzelne Atemzug schmerzte, zwang er sich dazu, sich von ihr abzuwenden und den Riegel aus der Halterung zu heben. »In spätestens zwei Tagen«, versprach er mit zitternder Stimme, bevor er heftig blinzelnd in den Hof hinaustrat. »Ich liebe dich.« Damit floh er, bevor er es sich anders überlegen konnte, in Richtung Tor. Hätte er gewusst, dass dies für lange Zeit das letzte Mal sein würde, dass er die Geliebte sah, hätte er sich wenigstens noch einmal umgewendet.

Kapitel 20

    Ulm, 21. Juni 1368

    Mit nach vorne gerecktem Oberkörper und langen Schritten eilte Ortwin durch die überfüllten Straßen in Richtung Stadttor, über dem das schwarz-weiße Wappen Ulms heiter hin und her flatterte. Eigentlich hätte er in triumphierender Hochstimmung sein müssen, da allein die mit Ulrich von Ensingen vereinbarte Mitgift ihn schwindelig machte; aber obschon er das Ziel seiner Wünsche beinahe erreicht hatte, nagte der Zahn der Sorge an ihm. Zwar hatte die Großzügigkeit des Meisters selbst seine kühnsten Erwartungen übertroffen, wodurch das Problem des Wucherkredites mehr oder minder aus der Welt geschafft war; doch hatte Ulrich auf einer blödsinnig langen Brautwerbung bestanden. Demzufolge musste Ortwin die folgenden drei Monate um die Gunst des Mädchens buhlen, hohle Artigkeiten austauschen und die in ihm kochende Lust zähmen – und somit die Gefahr erhöhen, dass sie einen Weg fand, ihn um seinen wohlverdienten Preis zu bringen. Denn keinen Augenblick gab er sich der Illusion hin, dass sie nicht alles Menschenmögliche unternehmen würde, um nicht mit ihm vermählt zu werden.
    Ohne auf die mit ihm zur Bürgerwiese strömenden Schaulustigen zu achten, schlängelte er sich zwischen Fuhrwerken und Reitern hindurch und grübelte weiter. Wenn dies der einzige Grund zur Besorgnis gewesen wäre, hätte er damit umgehen, sich besaufen oder die Dienste einer Hure in Anspruch nehmen können. Doch etwas anderes brannte ihm noch heißer auf der Seele.
    Ungehalten wich er einer Gruppe Berittener aus, die sich ohne Zweifel ebenfalls auf dem Weg zum Pferdemarkt befanden. Wie viele Ritter und Edelleute hatten vermutlich auch diese Männer in einer der überfüllten Herbergen der Stadt Unterkunft genommen, um entweder zu kaufen, zu verkaufen, oder einfach nur Kontakte zu pflegen. Während sich der von den Hufen aufgewirbelte Staub allmählich wieder legte, kehrten Ortwins Gedanken zu seinem Problem zurück.
    Seit sie an Fronleichnam vor dem Zorn des Werkmeisters Reißaus genommen hatte, hatte er die von ihm bestochene Bäckersmagd nicht mehr zu Gesicht bekommen – eine Tatsache, die ihm viel mehr Kopfzerbrechen bereitete, als er sich hatte eingestehen wollen. Da Ortwins Intrige sie um ihre zusätzliche Einnahmequelle gebracht hatte, fürchtete er von Tag zu Tag mehr, dass sie die volle Tragweite der Lage erfassen und ihn mit ihrer Rolle in dem Ränkespiel erpressen könnte. Was es unbedingt zu unterbinden galt!
    Rüde bahnte er sich mit seinen breiten Schultern einen Weg an einigen auf der Herdbrücke versammelten Händlern vorbei, die diese Grobheit mit ungehaltenen Schimpftiraden quittierten. Je weiter er sich der auf der lang gestreckten Donauinsel gelegenen Wiese näherte, desto mehr verdichtete sich das Gedränge, doch anstatt ihn zu zerstreuen, schürte das Gewimmel Ortwins Unruhe weiter. Wie jedes Jahr tummelten sich an diesem ersten Tag des offiziellen Marktgeschehens Hunderte zwischen den Zelten, Koppeln, Verpflegungsständen und abgesteckten Turnierplätzen, auf denen die Pferdehändler ihre Ware vorführten. Gaukler, Bettler, Dirnen, Lustknaben und Diebesgesindel – sie alle waren genauso hier anzutreffen wie die hohen Herren, Damen, rechtschaffenen Bürger und reichen Bauern. Zielstrebig steuerte Ortwin an einer Ansammlung von Fisch-, Fleisch- und

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