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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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lauschte dem Streit noch einige Zeit lang. Es war ihr gleichgültig, dass die Mägde und Knechte in dem angrenzenden Gesindebau sie zweifelsohne beobachten konnten, denn das Gespräch war wichtiger als ihr guter Ruf.
    »Wenn er nicht bald lernt, was Gehorsam und Demut bedeuten, dann werdet Ihr keine Freude an ihm haben«, warnte Bolko düster.
    Seit ihr Neffe vor einem Jahr in Wulfs Haushalt eingetreten war, überfiel die junge Frau in dessen Gegenwart stets Beklemmung, die nichts damit zu tun hatte, dass sie gerade einmal sieben Jahre älter war als er. Groß, breit und dunkel wie Adelheids Vater ähnelte er seinem eigenen Vater weniger als seinem angeheirateten Onkel, Wulf von Katzenstein, dessen Autorität er immer wieder trotzig infrage stellte. Einmal hatte er sie auf dem Weg zur Kapelle abgepasst und ihr so den Weg vertreten, dass sie sich unter seinem Arm hatte hindurchducken müssen. Als sie ihn mit ihrer Stellung als Herrin der Burg zur Ordnung hatte rufen wollen, hatte er lediglich unverschämt gelacht und sie mit einem anzüglichen Grinsen bedacht. Tags darauf, nachdem sie Wulf widerwillig davon berichtet hatte, hatte dieser den Knaben aufs Furchtbarste gezüchtigt, was bei Friko jedoch keinen Eindruck hinterlassen hatte. Etwas an seinem Wesen machte ihr Angst, und wenn er sich nicht besserte, würde sie Wulf bitten, ihn zurück nach Oettingen zu schicken. Instinktiv zuckte ihre Hand zu ihrem Bauch. Sie wusste tief in ihrem Herzen, dass sie in der Nacht vor Wulfs Aufbruch ein Kind von ihm empfangen hatte.
    Die Männerstimmen entfernten sich und sie setzte den Weg zur Kapelle fort. Sie würde zu Gott beten, dass er ihr dieses Mal einen Sohn schenkte. Einen gesunden, kräftigen Stammhalter, mit dem sie sich Wulfs Liebe und Hochachtung sichern würde! Leichtfüßig erklomm sie das halbe Dutzend Treppenstufen, ließ den Wachraum rechts liegen und eilte auf den rundbogigen Eingang der Kapelle zu. Dort angelangt, entzündete sie eine Handvoll Kerzen und beugte das Knie vor dem Altar.
    Eine halbe Stunde später verließ sie – zuversichtlich durch ihre Zwiesprache mit Gott – den kühlen, hoch aufragenden Bau und befahl einer der herbeieilenden Zofen, ihre Reitkleider bereitzulegen. Zwar hatten ihr die Gebete wie immer Stärke und Zuversicht gegeben, doch die Rastlosigkeit und Unruhe in ihrem Inneren hatten sie nicht zu vertreiben vermocht. Nachdem sie dem Mädchen in den Palas gefolgt war, streifte sie sich ungeduldig das eng geschnittene Reitgewand über, befestigte die blonden Locken unter einer grünen Haube und setzte ein strahlendes Lächeln auf.
    »Sag den Männern Bescheid, dass zwei von ihnen mich begleiten sollen«, trug sie der aus dem Dorf stammenden Zofe auf, die sich wortlos verbeugte und dann entfernte. Nach einem kurzen Blick in den polierten Silberspiegel verließ sie ihre Kammer und eilte beinahe aufgekratzt in die große Halle hinab. Im Stall angekommen ließ sie sich von einem der Burschen in den Sattel helfen, zupfte ihre Röcke zurecht und wartete darauf, dass ihre gepanzerten Begleiter die schweren Kaltblüter bestiegen. Sobald auch der zweite Mann den Sattelgurt nachgezogen hatte, gab sie ihrer kleinen Fuchsstute die Sporen und trabte auf die Zugbrücke zu. Als der warme Westwind ihr den Duft frisch gemähten Grases entgegentrieb, legte sie übermütig den Kopf in den Nacken und lachte leise. Wer weiß, vielleicht traf sie unterwegs ihren heimkehrenden Gemahl!

Kapitel 25

    Ulm, 25. Juni 1368

    »Es wird alles gut«, murmelte Brigitta und strich blicklos über den blonden Schopf des kleinen Kaspar, der seit zwei Tagen erneut von heftigen Fieberanfällen geschüttelt wurde. Das verschwitzte Haar des seit Stunden fantasierenden Kindes klebte an seiner Stirn, auf der erschreckend viele Adern zu sehen waren. Nachdem der Junge sich gerade erst von einem kraftraubenden Fieber erholt hatte, hatte er am Mittwochabend wie aus heiterem Himmel zu weinen begonnen und war kurz darauf in einen ohnmachtsähnlichen Zustand gefallen. In der Nacht war seine Temperatur in besorgniserregender Geschwindigkeit gestiegen, und bereits am Donnerstag hatten sich seine Lippen bläulich verfärbt.
    Zärtlich rückte Brigitta die Korallenarmbänder zurecht, deren Heilwirkung sie allerdings allmählich bezweifelte. Zwar rieten Ärzte und Apotheker gleichermaßen, einen Kranken zu dessen Schutz mit Edelsteinen und Korallen aller Formen und Farben zu behängen, doch schienen all diese Maßnahmen nicht den gewünschten

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