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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Erfolg zu zeigen.
    »Ich bin bei dir«, flüsterte sie, während erneut Tränen in ihren geschwollenen Augen aufstiegen. Vier Tage war es her, seit Ortwin ihr mit der grausam hingeschleuderten Nachricht von Wulfs Gefangennahme den Glauben an einen Gott genommen hatte, den sie dennoch um das Leben ihres kleinen Bruders anflehte. »Wenn Du mich damit für meinen Ungehorsam strafen willst …«, wisperte sie erstickt und brach den Satz ab, da ihr die Trauer um den Geliebten die Luft raubte. Lange Zeit weinte sie still – die heiße Hand des Kindes umklammert, als könne sie ihr Halt in ihrer Verzweiflung geben. Als ihre Tränen schließlich versiegten, wischte sie sich mit dem Ärmel ihrer Fucke über die Augen, glitt neben dem Bettkasten des Knaben auf die Knie und senkte den Kopf. »Herr«, presste sie mit mühsam beherrschter Stimme hervor. »Nimm dieses Fieber von Kaspar.« Sie schluckte schwer. »Dann werde ich ohne Widerrede Ortwins Frau.«
    Kaum waren die Worte in dem winzigen Raum verhallt, ergriff eine überwältigende Taubheit von ihr Besitz. Als hätte das angebotene Opfer ihr die Kraft geraubt, ließ sie sich erschöpft nach hinten sinken und starrte auf den vor Kurzem gewachsten Dielenboden. Ohne sie zu registrieren, tasteten ihre Augen die dunklen Astlöcher ab, während ihr Verstand darum kämpfte, den Verrat, den sie mit diesem Versprechen an Wulf beging, zu verdrängen. Erneut zog sich ihr Zwerchfell schmerzhaft zusammen.
    »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue …« Der Rest des Psalms ging in einem trockenen Schluchzen unter, das die junge Frau so heftig verkrampfen ließ, dass sie sich mit schmerzverzerrtem Gesicht vornüber beugte. Hustend schlug sie die Hände vor die Brust, die vor Trostlosigkeit zu zerspringen drohte. Als sich der Anfall schließlich legte, war sie ähnlich schweißgebadet wie der kranke Knabe, der sich unruhig in den Kissen hin und her wälzte. Mechanisch legte sie ihre Hand zurück auf seinen Unterarm, woraufhin er sofort ein wenig ruhiger zu werden schien. Warum hatte ihr Vater ihr nicht wenigstens erlauben können, Erkundigungen über Wulfs Schicksal einzuholen?, fragte sie sich erbittert, während die Erinnerung an die furchtbare Szene in der Halle sie den Kopf zwischen die Schultern ziehen ließ. Unbewusst nahm sie die Unterlippe zwischen die Zähne und nagte leicht an dem dicken Schorf.
    Nachdem sie sich von dem ersten Schock, den Ortwins Nachricht ihr bereitet hatte, erholt hatte, war sie in ihre Kammer geeilt, hatte ihren Mantel übergeworfen und sich auf den Weg ins Erdgeschoss gemacht. Dort hatte sie gerade die Hand auf den Knauf der Eingangstür gelegt, als diese aufgeflogen war und ihr Vater sich vor ihr aufgebaut hatte. Die Überraschung, die sich bei ihrem Aufzug auf seinem Gesicht ausgebreitet hatte, war innerhalb weniger Lidschläge loderndem Zorn gewichen. Bevor sie begriffen hatte, was geschehen war, hatte er sie hart am Arm gepackt und zurück ins Obergeschoss gezerrt. Dort hatte er ohne Vorrede nach der Birkenrute neben dem Kamin gegriffen und so lange auf sie eingeprügelt, bis sie wimmernd vor ihm zusammengesunken war. Ihre Finger tasteten nach den blauen Flecken, die sie immer noch zusammenschrecken ließen, wenn sie eine falsche Bewegung machte.
    Wäre ihre Mutter nicht dazwischengegangen, hätte er sie sicherlich nicht so glimpflich davonkommen lassen. Doch da Anna von Ensingen ihren Gemahl daran erinnert hatte, dass einer Braut Blessuren nicht gut zu Gesicht standen, hatte Ulrich schließlich wutschnaubend von der Züchtigung abgelassen.
    »Hatte ich dir nicht ausdrücklich verboten, das Haus zu verlassen?!«, hatte er mühsam hervorgestoßen und den Stock zu Boden geschleudert. »Von heute an bleibst du in deiner Kammer!« Daraufhin hatte er die Hand in ihr Haar gegraben und sie auf die Beine gerissen, bevor er sie vor sich her den Gang hinabgetrieben und in ihr Zimmer gestoßen hatte. Das Geräusch des sich im Schloss drehenden Schlüssels würde sie vermutlich bis an ihr Lebensende nicht mehr vergessen. Drei volle Tage war sie vom Tisch der Familie verbannt gewesen, bis schließlich am heutigen Morgen eine zerknirschte Ursula sie aus ihrer Gefangenschaft befreit hatte.
    »Du sollst dich um Kaspar kümmern. Er hat wieder Fieber«, hatte sie mit niedergeschlagenem Blick gesagt, bevor sie Brigitta schüchtern angesehen hatte. »Es tut mir leid.« Diese Worte – so schlicht sie gewesen waren – hatten

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