Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)
Austausch gegen das Versprechen, das Aufnahmegeld für den Orden zu bezahlen.«
Brigitta war starr vor Staunen. Hatte ihr Vater nicht immer mit seiner Großzügigkeit und Selbstlosigkeit geprahlt, die dazu geführt hatten, dass er eine Tochter ans Kloster verschwendet hatte?!
»Die Perlen hatte Ludwig von einem Händler aus Afrika«, erinnerte sich Clementine und machte Anstalten, sich zu erheben. »Sie sahen aus wie erstarrte Tränen.«
Thomas half ihr auf die Beine und drückte ihr Gesicht an seine Brust. »Der Herr ist weise«, murmelte er mechanisch. »Er hat uns den rechten Weg gezeigt.« Mit der Linken schlug er ein Kreuz hinter Clementines Rücken, bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte. »Komm mit uns, Brigitta. Mein Vater ist einer der reichsten Pferdebauern in Altheim. Und Dorfvorsteher. Er hat sicherlich Platz für uns alle.« Seine Zähne blitzten auf, als er breit grinste. »Auch wenn er nicht sehr erbaut sein wird, seinen Herrgottsbittler wiederzusehen.«
Clementine sah erschrocken zu ihm auf, doch er wiegelte lachend ab. »Er wird es nicht allzu schwernehmen. Eigentlich wollte er mich damals gar nicht gehen lassen. Wie viel lieber hätte er es gesehen, wenn ich eines seiner Gehöfte übernommen hätte. Und außerdem kann ich immer noch in der Dorfkirche für sein Seelenheil beten.« Er half auch Brigitta auf die Beine, die unsicher von einem zum anderen blickte.
»Aber wie soll ich dann Wulf finden?«, fragte sie kleinlaut, und als sowohl Clementine wie auch Thomas fragend die Brauen hoben, barst der Damm und die ganze Geschichte brach aus ihr hervor.
Als sie geendet hatte, schloss Clementine sie in die Arme und strich ihr beruhigend über den Rücken. »Sobald wir in Altheim sind, kann Thomas einen der Knechte ausschicken, um Erkundigungen einzuholen. Sorge dich nicht. Bestimmt wollte Ortwin dir nur Angst machen.« Sie trocknete Brigittas Tränen mit dem Ärmel ihres Gewandes. »Es gibt sicher eine ganz einfache Erklärung dafür, dass dein Wulf dir nicht rechtzeitig Nachricht hat zukommen lassen.«
Hin und her gerissen zwischen Hoffnung, Furcht und Zweifel strich Brigitta eine verirrte Locke aus der Stirn und biss sich auf die Unterlippe. Was blieb ihr schon anderes übrig, als sich Clementine und Thomas anzuschließen? Allein würde sie sich wohl kaum länger als ein paar Tage durchschlagen können. Und wer wusste, vielleicht hatte ihre Schwester ja recht. Wenn Wulf nichts geschehen war, würde er sicherlich nicht ohne sie fortgehen, dessen war sie sich sicher!
Kapitel 28
Ulm, Ende Juni 1368
»Hört doch auf, es zu leugnen!« Die Stimme Heinrich von Husens überschlug sich beinahe vor Selbstgerechtigkeit. Mit einer steilen Falte zwischen den buschigen Brauen funkelte er die Ratsmitglieder an, die sich an diesem Samstag im Rathaus versammelt hatten. Anklagend hielt er das Musterbuch Ulrich von Ensingens in die Höhe, während er diesen mit einem erbosten Blick bedachte. »Wenn wir nicht wollen, dass es uns geht wie den Augsburgern und Tübingern, muss dieser Wahnsinn gestoppt werden!« Es fehlte nicht viel und er hätte die Seite mit der Turmzeichnung des Werkmeisters herausgerissen und in die Versammlung geschleudert. Obschon viele der Anwesenden die Anklage bezweifelten, zeichnete sich auf einigen Gesichtern Furcht ab.
»War Euer Haus nicht eines der ersten, das von der Pest heimgesucht wurde?«, kreischte von Husen, der sich immer mehr in seinen Wahn hineinzusteigern schien. »Und ist es nicht genug, dass Euer jüngster Sohn zwei Klafter tief unter der Erde liegt?!«
Lediglich ein kaum wahrnehmbares Zucken der Hand, die Ulrich von Ensingen auf die Bank gepresst hatte, verriet dem neben ihm sitzenden Ortwin, dass es ihn übermenschliche Anstrengung kostete, dem Kerl nicht an die Kehle zu gehen. Zwar hatte ihn die Vorladung vor den Rat ebenso überrascht wie Ulrich von Ensingen, doch verlor das Schauspiel allmählich an Reiz. Bereits kurz nach Eröffnung der Sitzung war Ortwin klar geworden, welches Spiel von Husen hier treiben wollte, doch er hielt weder den Bürgermeister noch den Großteil der Ratsherren für so einfältig, dem Gift dieser Schlange zu erliegen. Sicherlich waren die Ulmer nicht so dumm, das Risiko einzugehen, einen der begehrtesten Baumeister mit diesem bigotten Geschwätz zu vertreiben!
Ulrich von Ensingen unterbrach Ortwins Gedanken, als er sich abrupt erhob. »Ich kann nur wiederholen, was ich bereits dem Herrn Bürgermeister gesagt habe«, erklärte er
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