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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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gezwungen ruhig. »Wenn man mir keine freie Hand lässt, muss ich den Vertrag mit der Stadt kündigen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Ich weise nur ungern darauf hin, dass sowohl die Mailänder als auch die Straßburger Bauhütte ihre Anfragen erneuert haben.«
    Damit ließ er sich zurück auf die Bank sinken und faltete die Hände in seinem Schoß. Was für ein Fuchs!, dachte Ortwin bewundernd, während er hoffte, dass diese Farce bald beendet sein würde. Er musste unbedingt mit Ulrich allein reden. Die Nachricht, dass das Haus des Werkmeisters für vierzig Tage und Nächte nicht zu betreten war, hatte ihm einen solchen Wutanfall beschert, dass sich die anderen Gäste in seiner Herberge beim Wirt beschwert hatten. Nicht nur bedeutete das für ihn, dass er seine Braut nicht sehen konnte; es bedeutete auch, dass er Gefahr lief, die Mitgift, die er so dringend benötigte, ein für alle Mal zu verlieren! Was, wenn die Kleine starb?!
    Der Bürgermeister sprach in seine Gedanken hinein. »Es ist nicht nötig, dass wir uns gegenseitig drohen«, verkündete der alte Mann beschwichtigend und kniff die Augen zusammen, als von Husen ihm ins Wort fallen wollte. »Aber vielleicht wäre es vernünftig, einen Kompromiss zu schließen. Was haltet Ihr davon, Meister Ulrich, wenn Ihr die Arbeiten am Münster planmäßig fortsetzt, aber einige Wochen den Bau des Turmes ruhen lasst?« Den resignierten Seufzer, den Ulrich von Ensingen ausstieß, konnten nur seine unmittelbaren Nachbarn hören. »Auf keinen Fall wollen wir Euch an die Mailänder verlieren«, setzte der Bürgermeister mit einem schiefen Lächeln hinzu, das seine faltigen Züge beinahe komisch verzog. Er bohrte den trotz seines Alters wachen Blick in Ulrichs Augen, den dieser einige Atemzüge lang aushielt, bevor er zögernd nickte.
    »Einverstanden«, lenkte er ein und legte den Kopf ein wenig zur Seite, als müsse er nachdenken. »Fünfunddreißig Tage«, verkündete er schließlich rau. »Das ist genau die Zeitspanne, die meine Familie noch in der Quarantäne ausharren muss!« Damit tippte er sich an die schwarze Samtkappe und wandte der Versammlung ohne weitere Worte den Rücken. Überrumpelt von dem unvorhergesehenen Abgang seines zukünftigen Schwiegervaters stolperte Ortwin beinahe über die eigenen Beine, als er Ulrich hinterhereilte.
    »Warum habt Ihr nachgegeben?«, fragte er atemlos, als er den Baumeister endlich auf der Treppe einholte. »Dieser Heinrich versucht doch nur mit allen Mitteln, Euch die Aufsicht über das Münster abspenstig zu machen, damit sein unfähiger Schwager Euch ersetzen kann!« Er musste es Ulrich gleichtun und zwei Stufen auf einmal nehmen, um mit ihm Schritt zu halten.
    Die Verachtung auf dem Gesicht des Baumeisters sprach Bände, als dieser endlich das Tempo verlangsamte und sich, im Erdgeschoss angekommen, zu Ortwin umwandte. »Das ist mir vollkommen klar«, schnaubte er. »Aber ich will verdammt sein, wenn ich mich von dieser Bande ins Bockshorn jagen lasse! Als ob diese Plage etwas mit dem Turm zu tun hätte!« Er funkelte Ortwin an. »Meine Familie wird nicht die Ausnahme bleiben! Auch die anderen werden krank werden. So war es bisher jedes Mal. Und ich will doch sehen, wie von Husen es erklärt, wenn es seine Brut trifft!« Seine für gewöhnlich bleichen Wangen überzogen sich mit dem Feuer der Wut. »Wenn wir nicht alle sterben, dann werden diese Idioten ihren Fehler schon bald einsehen!«
    Er warf den Kopf in den Nacken und fuhr mit der Handfläche über sein Kinn. »Ich hoffe nur, mein Haus ist bis dahin keine Gruft«, murmelte er so leise, dass Ortwin die Worte beinahe nicht verstanden hätte. Ein Schatten des Kummers huschte über sein Gesicht. Innerhalb eines Wimpernschlages fasste sich der Werkmeister jedoch wieder, und eine Maske der Härte verdrängte Sorge und Zorn. Mit einem unwilligen Brummen nickte er seinem Begleiter zu und verabschiedete sich. »Wir sehen uns am Montag auf der Baustelle.«
    Bevor Ortwin die Bitte äußern konnte, die ihm auf der Seele lag, war Ulrich durch das doppelflügelige Tor verschwunden und ihm blieb nichts weiter übrig als ihm hinterherzutrotten. Auf dem sonnenüberfluteten Marktplatz angekommen zögerte er einige Momente, bevor er sich auf den Weg zu dem Geldverleiher machte, dem er eine weitere Zinszahlung schuldig bleiben musste. Er biss die Zähne aufeinander. Wenn es so weiterging, würden seine Schulden bei dem Halsabschneider noch ins Unermessliche wachsen, bevor er

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