Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
Vom Netzwerk:
endlich die ersehnte Mitgift in die Hände bekam. Missmutig trat er nach einer Katze, die einen geschickten Haken schlug und ihn aus der Entfernung anfauchte. Eigentlich konnte er sich die Herberge, in der er Unterkunft genommen hatte, nicht leisten. Doch war es ihm bis jetzt noch nicht gelungen, Ulrich von Ensingen um einen Vorschuss auf die Aussteuer anzugehen. Er fluchte leise und schob die Hände in die bereits ausgebeulten Taschen seines Wamses. Er konnte nur hoffen, dass er nach fünf Wochen noch eine Braut hatte!
    Sein Weg führte ihn an der städtischen Wachstube vorbei, und als ihm zwei Soldaten mit einem Gefangenen in der Mitte entgegenkamen, schrak er unvermittelt zusammen. Obschon er sich relativ sicher war, dass ihn niemand mit dem Tod der Bäckersmagd in Verbindung brachte, schreckte er immer noch ab und zu schweißgebadet aus dem Schlaf, weil ihm ein Albtraum seine Verhaftung vorgegaukelt hatte. Er schluckte trocken, als die Wächter den Mann mit einem brutalen Schlag in Richtung Pranger trieben. Ob man den Bengel wohl inzwischen aufgehängt hatte?, fragte er sich, während er dabei zusah, wie die Soldaten dem Gefangenen die Kleider vom Leib rissen, bevor sie ihn an dem Pflock festbanden. Vermutlich. Auch wenn ein Gefühl ihm sagte, dass die Verhaftung des Burschen nichts mit der toten Dirne zu tun gehabt hatte. Was er wohl angestellt hatte, um den Unmut eines Grafen auf sich zu ziehen?
    Ein kehliger Schrei vertrieb alle Gedanken an seinen Nebenbuhler und ließ ihn hastig den Marktplatz fliehen. Je näher er dem Haus des Geldverleihers kam, desto heißer brannte der Knoten der Wut in seinem Bauch, und als ihn der Schacherer nach beinahe einer Stunde Wartezeit endlich zu sich führen ließ, war Ortwin kurz davor überzukochen.
    »Wie stellt Ihr Euch unsere geschäftliche Beziehung in Zukunft vor, wenn Ihr Euren Verpflichtungen nicht nachkommt?«, erkundigte sich der Geldverleiher honigsüß, nachdem Ortwin ihm zähneknirschend mitgeteilt hatte, dass er um Stundung der Zinszahlung bitten musste. »Ich muss sagen, Ihr seid nicht gerade das, was man ein sicheres Geschäft nennt«, höhnte er und griff nach einem Gebäckstück, das er sich genießerisch in den Mund schob. Die sommersprossige Haut und die roten Haare verliehen ihm ein täuschend gutmütiges Aussehen, doch die Kälte in den blassblauen Augen zerschlug diesen Eindruck, sobald sie sich auf ihr Opfer hefteten. »Ihr habt doch sicherlich Tand, den Ihr nicht mehr braucht. Versetzt ihn, macht ihn zu Geld, aber schafft mir den Zinsbetrag herbei! Sonst muss ich Euch auf die Klausel hinweisen, die Ihr unterschrieben habt.«
    Ortwins Zorn verpuffte und wurde durch kalte Furcht ersetzt. »Gebt mir nur ein paar Wochen Aufschub«, bat er kleinlaut. »Dann zahle ich Euch die gesamte Summe zurück.«
    »Pah!«, schnaubte der Geldverleiher, was dafür sorgte, dass einige Krümel des Gebäcks durch die Luft flogen. Während sein Besucher sich unter seinem Blick wand, setzte er einen Becher an die Lippen und tat einen genüsslichen Zug. »Eine Möglichkeit gäbe es allerdings«, versetzte er nach langem Schweigen. »Ich brauche jemanden, der säumigen Schuldnern klarmacht, wie unklug es ist, mich zu verärgern.« Seine schmalen Lippen teilten sich zu einem raubtierhaften Lächeln. »Vielleicht kann ich Euch erlauben, Eure Schuld erst einmal abzuarbeiten.«
    Ortwin hätte beinahe gejubelt vor Erleichterung.
    »Wartet hier.« Mit diesen Worten wischte sich der Mann mit dem Rockärmel über den Mund und verließ das Kontor durch eine Seitentür. Als er einige Zeit später zurückkehrte, klemmte eine Pergamentrolle unter seinem Arm. »Das sind die Namen derjenigen, die mir noch Geld schulden«, erklärte er, nachdem er das Schriftstück entfaltet und die Namen verlesen hatte. »Könnt Ihr Euch das merken?« Als Ortwin mürrisch nickte, forderte er: »Schafft mir die Summe herbei. Dann stunde ich Euch Eure Schuld noch einmal.« Er musterte Ortwin mit unverhohlener Verachtung. »Wie Ihr das anstellt, überlasse ich Euch. Ich nehme an, dass Ihr Talent für diese Aufgabe besitzt.«
    Ohne sich von der Beleidigung provozieren zu lassen, wandte Ortwin sich dem Ausgang zu. »Ihr könnt in zwei Tagen mit mir rechnen«, tönte er, bevor er sich von einem der Bediensteten in den Hof führen ließ. Wer hätte gedacht, dass er so leicht seinen Kopf aus der Schlinge würde ziehen können?, dachte er erleichtert und steuerte auf den östlichen Teil der Stadt zu. Er würde sofort

Weitere Kostenlose Bücher