Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Dämpfe aus ihrem Inneren freisetzte. Der Ork schrie auf. Einen weiteren Ork machte Neldo auf diese Weise kampfunfähig. Dann hatte ihn der erste der heranstürmenden Krieger schon erreicht und stürzte sich mit zum Schlag erhobener Axt auf ihn. Neldo wich zurück– aber nur einen Schritt. Schließlich wollte er ja nicht in die Fänge des Katzenbaums geraten, der bereits gierig knurrte und den längsten seiner Greifäste nach ihm auszustrecken versuchte.
    Der Schlag des Orks ging ins Leere. Neldo riss das Rapier heraus und fing damit notdürftig den nächsten Axthieb ab. Er konnte ihn gerade noch zur Seite ablenken, taumelte aber. In diesem Moment zischte und zuckte es von verschiedenen Seiten nur so durch den Wald. Pfeile, Herdenbaumkastanien, spitze, geschliffene Vulkansteine, wie man sie ganz hervorragend mit den Schleudern der Halblinge verschießen konnte– all das regnete nun auf die Orks hernieder. Ihre Körper zuckten unter den Treffern. Die ätzenden Dämpfe drangen aus den aufgeplatzten Herdenbaumkastanien, und etliche Orks wurden durch Steine in Auge oder Maul tödlich getroffen.
    Innerhalb weniger Augenblicke war keiner von ihnen mehr am Leben. Aus einigen ragten Pfeile heraus, deren Steuerfedern genau so angeordnet und gefärbt waren, wie es bei Halblingen Sitte war, die auf die Jagd gingen. Sie waren offensichtlich mit dem Bogen abgeschossen worden. Bei anderen handelte es sich um Pfeile von Blasrohren, die deutlich kürzer waren.
    Waffen von Halblingen, erkannte Neldo sofort.
    Der Katzenbaum knurrte, denn sosehr er sich auch anstrengte, blieben selbst seine längsten Greifarme noch mehr als eine Handbreit von Neldo entfernt.
    Du wirst wohl hungrig bleiben müssen, dachte Neldo.
    Der junge Halbling war wie erstarrt. Langsam ließ er den Blick umherschweifen. Diejenigen, die ihn gerettet hatten, blieben vorsichtig und wollten sich offensichtlich nicht sofort zeigen.
    Der Katzenbaum richtete sich nach mehreren vergeblichen Versuchen, Neldo doch noch einzufangen, wieder auf und regte sich nicht mehr. Er machte den Eindruck, aufgegeben zu haben. Aber in Wahrheit lauerte er nur auf eine nächste Gelegenheit, sich das Maul doch noch zu füllen.
    Einige quälend lange Augenblicke vergingen, ohne dass etwas geschah. Und nachdem der Katzenbaum mit seinem Knurren aufgehört hatte, war es verdächtig still im Wald. Neldo achtete auf Anzeichen, die vielleicht noch für die Anwesenheit von Orks in der näheren Umgebung sprachen. Knackende Äste zum Beispiel. Im Gegensatz zu Halblingen war es Orks so gut wie unmöglich, sich völlig geräuschlos durch die Wälder zu bewegen. Sosehr sie sich auch darum bemühen mochten.
    Und dann kamen plötzlich von allen Seiten Halblinge hervor. Es waren ungefähr zwei Dutzend. Es waren sowohl Halblingmänner als auch -frauen. Die meisten von ihnen waren jedoch kaum dem Jugendalter entwachsen. Innerhalb weniger Augenblicke umringten sie Neldo– achteten aber tunlichst darauf, dem Katzenbaum nicht zu nahe zu kommen.
    Ein Halblingmädchen mit sehr dunklen Haaren und einem Gewand aus grün gefärbter Baumschafwolle schwang sich mithilfe einer Ranke auf ihn zu, ließ sie los und landete genau vor ihm. Sie trug einen Jagdbogen auf dem Rücken, aber weder Rapier noch Schleuder.
    »W er bist du?«, fragte sie.
    »I ch bin Neldo von Gomlos Baum«, erklärte er.
    »I ch bin Sona. Und wir kommen von Haltos Baum.«
    »I ch habe nie von Haltos Baum gehört«, bekannte Neldo.
    »H ier hört man anscheinend nicht viel aus der Dichtwaldmark«, sagte sie.
    »D ichtwaldmark? Ihr kommt aus der Dichtwaldmark?«
    »H altos Baum wurde zerstört. Die Orks haben ihn niedergebrannt und alle getötet, die sie angetroffen haben. Niemanden haben sie verschont.« Sona schluckte. Eine leichte Röte überzog ihr Gesicht. Ihre Stimme begann zu vibrieren; sie drückte Zorn und Schmerz gleichermaßen aus.
    »W ir haben nur überlebt, weil wir nicht zu Hause auf unserem Baum waren. Unser Baummeister hatte uns auf die Jagd geschickt, da unsere Baumschafe schon vor einiger Zeit durch streunende Orks vernichtet worden waren.«
    »A ch, deshalb sind so viele Bogenschützen unter euch«, sagte Neldo.
    »J a– aber ein Bogen kann auch eine sehr effektive Waffe gegen Orks sein«, meinte einer der anderen Halblinge. Er war einen halben Kopf größer als Neldo und damit für einen Halbling recht groß und kräftig. Sein Haar war rabenschwarz, und Neldo hatte selten jemanden aus seinem eigenen Volk gesehen, der so schwer