Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
stecken. Gurgelnde Laute drangen jetzt aus dem Unterholz. Eine Gruppe von Orks stürzte daraus hervor. Einer von ihnen versuchte seine Beute-Armbrust nachzuladen, fluchte dabei furchtbar und zum Glück unverständlich auf Orkisch und warf die Waffe schließlich ins Wasser, nachdem er den Spannhebel abgebrochen hatte. Daraufhin zog er sein Sichelschwert, das er über den Rücken gegürtet trug. Mit einem Schrei riss er die Klinge heraus, während er beinahe gleichzeitig mit der anderen Hand ein Wurfbeil aus dem Gürtel zog und in Neldos Richtung warf. Neldo duckte sich noch gerade rechtzeitig, sodass das Beil über ihn hinwegflog. Der junge Halbling zog sein Rapier. Das im Vergleich zu den Waffen der Orks äußerst zierlich wirkende Schwert war allerdings keineswegs zerbrechlich. Nicht umsonst war die Schmiedekunst der Halblinge weithin berühmt. Der Ork stürmte auf Neldo zu. Mit ungeheurer Wucht schlug er mit dem Sichelschwert nach dem Halbling. Neldo tauchte unter dem Schlag seines Gegners hinweg. So gewandt, dass dieser zu spät begriff, dass Neldo nun seinerseits zu einem blitzschnellen Angriff angesetzt hatte.
Das Rapier drang im nächsten Augenblick tief in den Körper des Orks. Dessen nächster Schlag glich mehr einer hilflosen Ruderbewegung der kraftlos gewordenen Arme.
Neldo zog die Waffe wieder zurück, während der Ork noch einen Augenblick wie erstarrt dastand, ehe er zusammenbrach.
Da wehrte sich Neldo bereits gegen den nächsten Angreifer. Er fühlte eine ungeheure Wut in sich aufsteigen. Ein Gefühl, wie er es vorher nicht gekannt hatte. Auch nicht, als er während der Schlacht an der Anhöhe der drei Länder mitgefochten und sich so gut es ging geschlagen hatte. In jener Schlacht war es ihm in erster Linie darum gegangen, am Leben zu bleiben. Jetzt aber erfüllte ihn ein ganz anderer Wunsch. Es war die Gier nach Rache. Er wollte töten und diejenigen bestrafen, die den Boden der Wälder am Langen See mit dem Blut ungezählter Halblinge getränkt hatten. Zu unfassbar war das Grauen gewesen, das er in den letzten Tagen gesehen hatte.
Ein schneller Stich mit dem Rapier tötete den Ork. Kraftlos führte dieser die Bewegung seines letzten Schlages zu Ende. Deren Schwung warf ihn zu Boden. Das Orkblut strömte nur so aus seiner Wunde.
Schon stürmte der nächste Ork auf ihn ein. Er trieb Neldo mit einer Folge sehr rasch ausgeführter Schläge vor sich her. Neldo sprang auf einen der hohen Wurzelstränge des nahen Riesenbaums, nachdem er die Schwerthiebe seines Gegners nur mit Mühe abgewehrt hatte. Der Ork war etwas schwerfälliger. Und so gewann Neldo einen kleinen Vorsprung. Er steckte das Rapier ein, rannte über den zum Baum hin immer höher aus dem Erdreich ragende Wurzelstrang und begann schließlich den Stamm emporzuklettern. In der groben Borke waren mehr als genug kleine Zwischenräume, Vorsprünge, Furchen und Verwachsungen, um mit Fingern und Zehen Halt zu finden. Ganz nach Art der Halblinge kletterte er weiter empor. Hinter sich hörte er die Rufe der Orks. Sie sprachen ihre eigene Sprache, sodass Neldo nicht ein einziges Wort davon verstehen konnte. Aber es war mehr als deutlich, dass man ihn um keinen Preis entkommen lassen wollte. Ein Schrei ertönte. Ein feiner Instinkt für die Gefahr und die Schnelligkeit und Gewandtheit eines Halblings bewahrten Neldo im nächsten Augenblick davor, von einem orkischen Wurfbeil getroffen zu werden. Er wich zur Seite aus– und das so schnell, dass er dabei sogar beinahe den Halt verloren hätte. Sein linker großer Zeh rutschte aus einer Vertiefung. Aber er fand schon einen Augenaufschlag später Ersatz dafür. Das Beil war mit einer selbst für einen Ork außerordentlichen Kraft geworfen worden. Die Klinge drang tief in die Borke. So schnell er konnte, kletterte Neldo weiter empor. Ein Wurfdolch und ein Speer bohrten sich dicht neben ihn in den Baum. Und ein weiteres Wurfbeil hätte ihm um ein Haar die rechte Hand abgeschlagen, wenn er sie nicht gerade in diesem Moment zurückgezogen und einen neuen Halt gesucht hätte.
Neldo hörte das Geräusch, das beim Spannen jener Armbrüste entstand, wie sie Harabans Söldner verwendeten. Diese Waffen waren bei den zurückliegenden Kämpfen in den Wäldern am Langen See offenbar in größerer Zahl in die Hände der Orks gelangt. Zwar machte das aus diesen Scheusalen noch keine begnadeten Schützen, aber das Teuflische an Armbrüsten war, dass man im Gegensatz zum Umgang mit Bogen oder Schleuder auch gar nicht
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