Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
wurde da eine Ausnahme zugelassen. Wer nicht mehr aus eigener Kraft stehen konnte, verlor seinen Sitz und sein Amt. Das war ein ehernes Gesetz in Carabor, das angeblich schon gegolten hatte, als die Stadt vor langer Zeit als Kolonie der Meeresherrscher von Relian gegründet worden war.
Jetzt aber konnte Dolgan Jharad sich von den Strapazen seines Amtes erholen. Er hatte in einem weich gepolsterten Diwan Platz genommen, der sich in einem der Säle befand, die dem Hochadmiral zum Empfang wichtiger Gäste zur Verfügung standen.
»A h, Zwerg, wer hat Euch denn vorgelassen?«, stöhnte der alte Mann auf, nachdem er sich die Stiefel ausgezogen hatte und die Zehen bewegte. Auch wenn Dolgan Jharad das Amt des regierenden Hochadmirals eigentlich nur vorübergehend angenommen hatte, schien er inzwischen doch ziemlich großes Vergnügen am Spiel mit der Macht gefunden zu haben. Und bislang wurde er von allen denkbaren Konkurrenten unterstützt, denn gegenwärtig fühlte sich offenbar keiner von ihnen stark genug, um sich vor dem Rat zur Wahl zu stellen.
Einen alten Mann aber, dessen Tage doch ohnehin gezählt waren, schien keiner dieser Aspiranten als ernsthaften Konkurrenten zu betrachten. Und genau diesen Umstand hatte Dolgan Jharad bislang meisterhaft auszunutzen gewusst und dabei eine Skrupellosigkeit an den Tag gelegt, die auch Rhelmi insgeheim bewunderte.
Aber jetzt war er zu weit gegangen!
Ohnmächtige Wut erfüllte Rhelmi. Wie schändlich mich dieser alte Mann hintergangen hat, durchfuhr es ihn.
»V or ein paar Stunden sind die Schiffe eingetroffen, die meine Zwergenbrüder und -schwestern von den kargen Inseln geholt haben, die die letzten Überreste unseres Reiches darstellen. Und da wollte ich…«
»S chwestern?«, unterbrach ihn Dolgan Jharad etwas irritiert. »D er Befehlshaber der Hafengarde sagte, es seien ausschließlich Krieger, also Männer! In diesem Fall Männer mit Bärten.«
»I hr scheint nicht sonderlich gut über mein Volk informiert zu sein, Hochadmiral.«
»D as gebe ich gerne zu. Wir haben schon genug Ärger mit lästigen Halblingen, aber Zwerge kommen so gut wie nie hierher. Ihr seid wahrscheinlich der Erste seit Generationen.«
»Z wergenfrauen tragen ebenfalls Bärte«, erklärte Rhelmi. »D aher vielleicht der Irrtum Eures Befehlshabers. Es ist für Euresgleichen daher nicht immer ganz einfach, männliche und weibliche Zwerge genauer zu unterscheiden. Und davon abgesehen pflegen Zwergenfrauen einige Dinge zu tun, die unter Euch den Männern vorbehalten sind.«
»A uch Streitäxte schwingen?« Dolgan Jharad zuckte mit den Schultern und lehnte sich zurück. »D as soll mir recht sein. Wir brauchen hier jeden Kämpfer, um den Feinden Einhalt zu gebieten.«
»H ochadmiral, ich muss protestieren! Ihr habt mir zugesagt, die Zwerge nach Gaa zu bringen, wo eine entscheidende Schlacht gegen Ghools Schergen bereits im Gange ist.«
»M anchmal werden Pläne geändert, werter Rhelmi«, erwiderte der Hochadmiral.
»A ber unsere Zwergenkrieger brennen darauf, gegen die Feinde zu kämpfen und ihnen die Zwergenäxte in die Schädel zu schlagen.«
»D azu werden sie gewiss auch Gelegenheit bekommen«, schnitt Dolgan Jharad dem Botschafter des Zwergenkönigs das Wort ab. »A ber Ihr habt mir immer noch nicht verraten, wie Ihr hier hereingekommen seid. Sagt mir, wen Ihr bestochen habt. Er soll es büßen. Schließlich bin ich kein junger Mann mehr und habe meine Ruhepause bitter nötig.«
Der Hochadmiral schloss für einen Augenblick die Augen. Er atmete tief und ruhig. Rhelmi trat unterdessen einen Schritt näher. »W arum habt Ihr Euer Wort gebrochen, Hochadmiral?«
»M ein Wort? Bei den Göttern der Kochenden See, ich habe dem Admiralsrat von Carabor geschworen, das Beste für die Stadt zu tun und Schaden von ihr abzuwenden. Und diesen Schwur werde ich erfüllen. Alles andere…«
»I hr habt nicht nur das Wort gebrochen, das Ihr mir gegenüber gegeben habt, sondern auch dasjenige, das Ihr dem Hochkönig von Athranor und Euren Verbündeten gabt! Die Zwerge sind hier, um an der Seite ihrer Verbündeten gegen Ghool und seine Dämonenwesen und Orks zu kämpfen, aber nicht, um in dem Ödland vor Euren Stadtmauern zu kampieren! Da hätten sie ja auch in den Felsen von Kergur-Dun oder den anderen aus dem Wasser ragenden Gipfeln unseres untergegangenen Reiches bleiben können. Dort wären sie nicht schlechter aufgehoben gewesen. Und nur unwesentlich weiter von unseren Feinden entfernt. Denn mit
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