Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
hatten allerdings beide gewarnt, denn dadurch konnte man möglicherweise Beobachter auf das Schiff aufmerksam machen. Schließlich wusste man ja nicht, ob nicht doch zufälligerweise ein Schattenvogel in großer Höhe über sie hinwegflog.
»W ie sehen deine nächsten Pläne aus, Elb?«, fragte Whuon an Lirandil gewandt. »W as erwartet uns, sobald wir die Küste des Ost-Orkreichs erreichen?«
»E s gibt dort ein Gebiet, das man die Anfurten der Riesenschildkröten nennt«, sagte Lirandil. »E s ist ein Küstenstreifen, der kaum besiedelt ist. Die Orks, die dort leben, zwingen den Riesenschildkröten ihren Willen auf und reiten auf ihnen ins Meer hinaus, um zu fischen. Anders als die Orks von Orkheim haben sie nie gelernt, wie man Schiffe oder wenigstens Flöße baut. Dort gibt es eine Bucht, in der wir vor Anker gehen und landen werden.«
»U nd du bist dir sicher, dass dieser Elbenoid da vorn am Ruder sich gut genug mit in diesen abgelegenen Gewässern auskennt?«, fragte Whuon und zog dabei die Augenbrauen skeptisch in die Höhe.
»D u solltest uns nicht unterschätzen!«, rief Osgeion, der Whuons Worte offenbar gehört hatte. »U nd schon gar nicht, wenn es um die Kunst der Seefahrt geht. Wir nehmen es darin spielend mit jedem Caraboreaner auf!«
»S chon auffällig, dass er nicht seine eigentlichen Vorbilder nennt– die Elben«, schloss Whuon. »A ber wir wollen das Beste hoffen.«
»W ie geht es anschließend weiter?«, fragte jetzt Zalea.
»J enseits des Küstenstreifens, den ich beschrieb, liegt das Gebirge an der Hornechsenwüste. Die Orks meiden diese Berge, und man sagt, dass dort allerlei Wesen aus uralter Zeit hausen, die in Vergessenheit ihr Dasein fristen– verborgen vom Schatten tiefer Täler, in die niemals ein Sonnenstrahl gelangt. Es gibt einen Pass, den ich vor vielen Jahren einmal benutzte und der einen geradewegs in die Hornechsenwüste bringt. Von den Bergen aus ist es nicht mehr weit bis zu Ghools Neufeste, von wo aus er sein dunkles Reich zu errichten versucht. Und dorthin müssen auch wir gelangen.« Lirandil wandte sich an Arvan. »D as Wissen über den Weg ist in dir, und es wird dir zur Verfügung stehen, wenn du darauf angewiesen sein solltest.«
»I ch dachte, Ihr werdet mich führen«, gab Arvan zurück.
Lirandil nickte. »J a, das werde ich auch. Aber niemand weiß, was auf dem Weg noch alles geschieht und ob jeder von uns das Ziel lebend erreicht.«
»I ch bin nicht abergläubisch, aber unter Söldnern sagt man immer, dass düstere Prophezeiungen dazu neigen, sich selbst zu erfüllen«, wandte Whuon ein. »A lso ist es das Beste, man unterlässt sie.«
»I hr verkennt, dass Lirandil ein Elb ist«, meinte Brogandas. »U nd bei denen ist der Pessimismus anscheinend inzwischen so sehr Teil ihres Wesens geworden, dass ihnen jeglicher Mut und jegliche Entscheidungsfreude abhandengekommen sind.«
»E s sind die Dunkelalben, die sich noch immer nicht entscheiden konnten, auf welcher Seite sie in den Krieg ziehen sollen, während ein Elb das Bündnis gegen Ghool geschmiedet hat«, gab Whuon zu bedenken.
»L irandil ist eine Ausnahme«, stellte Brogandas fest. »I n mehrfacher Hinsicht.«
»I ch nehme an, dass dies als Ausdruck der Anerkennung gemeint war«, sagte Lirandil.
Brogandas grinste breit. »J edenfalls würde es mich in Eurem Fall nicht wundern, wenn Ihr Euch eines Tages Dunkelalbenrunen ins Gesicht machen lasst. Aus reiner Neugier, um zu erfahren, wie es sich anfühlt, zu den wahrhaft Starken zu gehören.«
»W enn Ihr von den wahrhaft Starken sprecht, dann werdet Ihr das Volk der Dunkelalben damit wohl kaum meinen«, mischte sich Zalea ein. »E s zeugt schließlich nicht gerade von wirklich großer Überlegenheit, schwache Völker wie Menschen und Halblinge massenhaft zu unterdrücken.«
»D u kannst es nicht bleiben lassen, diesen Punkt immer wieder anzusprechen, was, Halblingmädchen?«
»N ein, denn wenn ich Euch sehe, dann sehe ich einen miesen Sklavenhalter, für den andere Geschöpfe nichts weiter sind als Werkzeuge oder Vieh.«
Brogandas’ Lächeln verschwand. »I mmerhin bist du ja noch frei genug, so einen Unsinn zu reden«, versetzte er. »A ber bevor ich dir oder irgendeinem deiner Gefährten hier das nächste Mal das Leben rette, dann erinnere mich doch bitte daran, dass ich vorher nachfrage, ob der Betreffende überhaupt gerettet werden will oder sich stattdessen lieber von Orks oder Dämonen abschlachten lässt.«
Whuon blickte jetzt zu
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