Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
einzuquartieren. »W ir wissen doch alle, was für ein Zeitempfinden so ein Elb hat«, erklärte er. »J emandem wie Lirandil kommt eine ganze Nacht doch nur wie ein Augenblick vor. Am Ende warten wir hier tagelang vergebens.«
»U nd das ohne Frühstück! Darauf kommt es dir doch in erster Linie an«, erwiderte Zalea.
»N icht, dass mir dieser Punkt unwichtig wäre, aber…«
»W ir bleiben hier!«, sagte Arvan sehr entschieden. »I ch will wissen, ob die Magie dieses Turms helfen kann, Ghool zu besiegen.«
»I ch will ebenfalls wissen, was dieser Elb am Ende erfahren hat– oder ob das alles nur eine vergebliche Hoffnung ist«, sagte Brogandas.
Nein, dachte Arvan. Brogandas interessiert nur, ob sich durch das magische Wissen, das Lirandil im Turm findet, vielleicht das Kräfteverhältnis zwischen den in diesem Krieg widerstreitenden Parteien verändert und es sich für den Dunkelalben von Albanoy vielleicht lohnen könnte, eine der beiden Seiten zu unterstützen.
Neldo deutete auf die städtischen Waffenknechte, die inzwischen zahlenmäßig um das Doppelte verstärkt worden waren und den gesamten vom Steinkreis eingegrenzten Nahbereich um den Asanil-Turm vollkommen abgeriegelt hatten. Sie standen Mann neben Mann. Es war weder möglich, den inneren Bereich um den Turm zu betreten, noch, den Steinkreis zu verlassen. »I ch weiß nicht, ob man uns ohne Lirandils königliche Vollmacht so einfach von dannen ziehen ließe.«
»E in Grund mehr, geduldig auf seine Rückkehr zu warten!«, meinte Zalea.
Das Morgengrauen wurde vom Licht des Turms zunächst überstrahlt, sodass man die ersten Strahlen der Sonne kaum bemerkte. Während sich die drei Halblinge auf dem Boden niedergelassen hatten, kümmerte sich Arvan um die Pferde. Sie waren nämlich von Stunde zu Stunde unruhiger geworden. Aber Arvans beruhigender Einfluss sorgte dafür, dass sie weiter geduldig ausharrten. Schwieriger als Baumschafe davon abzuhalten, sich zu weit ins äußere Geäst eines Herdenbaums zu bewegen, war das auch nicht, wie er feststellte. Pferde waren zwar etwas eigenwilliger, aber dafür hatte es Arvan ja auch nur mit einem halben Dutzend Tieren zu tun– und nicht mit Hunderten, wie es bei einer Baumschafherde gang und gäbe war.
Whuon ging die ganze Zeit über auf und ab, die Arme vor der Brust verschränkt und sichtlich angespannt.
Brogandas stand da und bewegte sich kaum. Hin und wieder veränderten sich die Runen in seinem Gesicht. Aber sein Blick wirkte starr und in sich gekehrt.
Mehrfach flackerte das Licht des Turms etwas, wofür keine Ursache zu erkennen war. Vielleicht reichte bereits Lirandils Anwesenheit im Inneren dieses Bauwerks aus, um die an diesem Ort wirksamen magischen Kräfte zu beeinflussen.
Die Tür, durch die Lirandil verschwunden war, schien während dieser Stunden der Nacht und des frühen Morgens immer mehr zu verblassen. Sie schien eins mit dem Mauerwerk zu werden und immer mehr mit diesem zu verschmelzen. Nicht mehr lange, und man würde sie gar nicht mehr sehen können– so wie es zu Anfang gewesen war.
Doch dann öffnete sie sich endlich, und in diesem Augenblick trat sie auch wieder sehr viel deutlicher hervor.
Aus dem Inneren drang ein so greller Schein, dass man den Blick abwenden musste.
Wenig später trat Lirandil aus diesem hellblauen Licht hervor. Er hatte die Augen geschlossen und wirkte wie in Trance. Er trat vor und schien die Augen in diesem Moment zur Orientierung nicht zu benötigen. Die Tür des Turms schloss sich von selbst. Ihre Konturen verblassten daraufhin innerhalb weniger Augenblicke und verschmolzen so sehr mit dem leuchtenden Gemäuer, dass sie nicht mehr sichtbar war.
Lirandil stand regungslos da, wie zu einer Säule erstarrt.
Arvan, Whuon und die Halblinge umringten ihn. Brogandas hielt sich jedoch abseits.
»V orsicht!«, warnte der Dunkelalb. »E r ist erfüllt von einer Art von Magie, die minderbegabten Geschöpfen wie euch Tod oder Wahnsinn bringen kann, wenn ihr damit in Berührung kommt.«
Arvan bemerkte erst jetzt, dass eine Aura aus bläulichem Licht Lirandil umgab. Der Turm hatte diese Aura bis dahin überstrahlt, sodass sie kaum zu sehen gewesen war. »W as ist mit ihm geschehen?«, fragte Whuon an Brogandas gewandt.
»E r ist mit irgendeiner sehr mächtigen magischen Kraftquelle in Berührung gekommen«, erklärte Brogandas. »U nd er ist davon so sehr geladen, dass er jeden von euch mit einer einzigen Berührung und vielleicht sogar völlig ohne Absicht töten
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