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Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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in ihnen.
    Arvan wurde zu Boden gerissen. Es war Lirandil, der ihn mit sich zog. Lass sie fliehen!, erreichte ihn ein Gedanke des Fährtensuchers, als sie bereits alle auf dem Boden lagen und sich im Gestrüpp verbargen.
    »W enigstens hatte ich meinen Bogen nicht am Sattel, sondern auf dem Rücken«, flüsterte Borro. Zalea versetzte ihm einen Stoß, um ihm zu bedeuten, dass er still sein sollte. »I ch versuche halt immer, das Gute an der Situation zu…«
    Borros Worte waren ohnehin nicht mehr als ein leises Wispern gewesen. Aber jetzt verstummte er ganz, und der rothaarige Halbling vergaß für einen Moment, den Mund wieder zu schließen.
    Mehr als ein Dutzend Schattenvögel zeichneten sich jetzt als grauschwarze Schemen am Himmel ab. Sie wurden rasch größer und begannen über dem Schlachtfeld zu kreisen, wie man es ansonsten von Aasvögeln kannte.
    Die Schattenvögel sanken tiefer. Manche von ihnen verschmolzen zu größeren Schatten, und aus der Höhe erschienen weitere dieser kaum fassbaren Geschöpfe. Sie sanken auf das Schlachtfeld herab, breiteten ihre aus purer Dunkelheit bestehenden Flügel aus und deckten damit die Toten zu. Hunderte weiterer Schattenvögel erschienen inzwischen am Himmel, kreisten mehrmals über dem Schlachtfeld, bevor sie dann vollkommen lautlos herabglitten.
    Plötzlich wurde es dunkel innerhalb der kleinen Baumgruppe, an deren Rand sich Arvan und seine Gefährten verbargen. Ein Schattenvogel, dessen dunkle Schwingen mehr als die Ausmaße des Turmplatzes von Asanilon hatten, flog in Baumwipfelhöhe über sie hinweg. Die körperlose schattenhafte Erscheinung durchdrang die Baumkronen. Augenblicklich verfärbten sich die Blätter in ein dunkles Grau und zerfielen anschließend zu Asche. Arvan schlug das Herz bis zum Hals, während dieser Sendbote des Schicksalsverderbers über sie hinwegzog. Eine namenlose Kälte erfasste ihn und ließ ihn bis ins Mark frösteln.
    Arvan wagte nicht einmal zu atmen.
    Er konnte sich nicht erinnern, jemals so große Furcht gehabt zu haben. Nicht während seiner Kämpfe gegen Orks und auch nicht, als er während der Schlacht an der Anhöhe der drei Länder dem siebenarmigen Zarton gegenübergestanden hatte. Im Grunde war die Macht, mit der dieses Gefühl auf einmal über ihn hereinbrach, nicht zu erklären.
    Ghool hat diesmal sehr viel seiner eigenen Präsenz in diese Schattenvögel gegeben, erreichte ihn ein Gedanke von Lirandil. Das ist der Grund deiner Furcht. Und die Magie der Furcht ist Ghools mächtigste Waffe. Werde ruhiger! Niemand weiß, ob diese Geschöpfe deine Herzschläge nicht genauso zu hören vermögen wie ich.
    Der riesenhafte Schattenvogel dehnte sich auf ein Vielfaches seiner bisherigen Größe aus, als er das Schlachtfeld erreichte. Dann legte er sich wie ein dunkelgraues, rußiges Leichentuch über einen Teil dieses Feldes, in dem besonders viele tote Orks lagen. Für einen Augenblick konnte man dort nichts weiter sehen als den dunklen Schatten, der sich über all die Toten gelegt hatte. Dann zerfiel er in mindestens hundert kleine Schattenvögel, die sich vom Boden erhoben, sich nur Augenblicke später anderswo über gefallene Orks, von Gesteinsbrocken erschlagene Hornechsen oder den Leichnamen der dämonenhaften Wolfsmenschen niederließen, die ebenfalls in den Reihen jenes Heeres gekämpft hatten, das Zarton angeführt hatte.
    All das zog sich über längere Zeit hin. Mindestens eine Stunde lang tauchten immer weitere Schattenvögel unterschiedlichster Größe auf und senkten ihre Dunkelheit über einzelne Gefallene. Dann stoben sie plötzlich alle auf einmal in die Höhe, als hätten sie ein geheimes Zeichen bekommen. Schlagartig wurde der Himmel schwarz durch ihre Finsternis. Sie flogen sehr tief. Manche zogen in Sichthöhe über die am Boden liegenden Gefährten hinweg– aber keiner von ihnen schien sie zu bemerken. Einem finsteren, die Sonne verdunkelnden Schwarm gleich zogen sie Richtung Osten, bis sie hinter dem Horizont verschwanden.
    Arvan wollte schon aufatmen, aber dann sah er, dass sich auf dem Schlachtfeld etwas zu regen begann. Einer der getöteten Wolfskrieger erhob sich unsicher, stand schließlich auf seinen Beinen und hob die am Boden liegende Streitaxt auf, die ihm im Tode entfallen war. Ein Ork, dem der rechte Arm fehlte, erhob sich ebenfalls. Den abgeschlagenen Arm, der die mit Obsidianspitzen gespickte Keule noch umklammerte, hob er auf und legte sie an die Schulter, mit der sie im nächsten Moment verschmolz.

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