Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
Lirandil daraufhin.
Die Stimme des Elben hatte einen ungewohnt harten, metallischen Klang. Seine Worte vermittelten den Eindruck endgültiger Entscheidungen. Entscheidungen, die er offenbar längst getroffen hatte, ohne es bisher den anderen mitgeteilt zu haben.
»W as sagt Ihr da?«, brach es aus Neldo heraus. »E s hieß doch, wir würden…«
»… in den Halblingwald zurückkehren«, bestätigte Lirandil. »D aran hat sich auch nichts geändert. Schließlich sind wir aufgebrochen, um das Erbe anzutreten, das König Elbanador dem Volk der Halblinge einst überantwortete… Und der Runenbaum liegt nun einmal mitten im Halblingwald.«
»D ann verstehe ich nicht, was Ihr jetzt daherredet, Fährtensucher«, platzte es aus Neldo heraus– und zwar viel lauter, als er es eigentlich beabsichtigt hatte. Sein Kopf war hochrot geworden. »H abt Ihr uns wieder mal nur die halbe Wahrheit gesagt? Habt Ihr mal wieder geglaubt, dass unsere schlichten Halblinggemüter nicht in der Lage sind, komplizierte Zusammenhänge zu verstehen oder Geheimnisse zu wahren? Steckt das dahinter?«
»N eldo!«, versuchte Arvan ihn zu beschwichtigen.
»L ass mich, Arvan! Ich bin zwar nicht der große Held von Athranor und habe auch noch keinen Riesen erschlagen, aber ich bin auch kein Dummkopf.«
»H ör mir zu, Neldo«, verlangte Lirandil jetzt mit eindringlich klingender Stimme und vielleicht auch mit der Unterstützung sehr eindringlicher Gedanken. Gedanken, die Arvan allerdings wohl stärker spürte als der, für den sie eigentlich bestimmt waren, denn es war sehr fraglich, ob Neldo für die Gedankenbotschaften eines Elben im Moment überhaupt empfänglich war. »W ir werden zum Runenbaum im Halblingwald gehen, wie ich es gesagt habe. Aber wir nehmen eine Route, die nicht an Gomlos Baum vorbeiführt.«
»W eil das ein Umweg wäre?«
»E twa ein Tagesmarsch.«
»W ir kommen also auf ein paar Meilen an Gomlos Baum vorbei, und Ihr verlangt, dass wir dort nicht vorbeischauen und uns nicht vergewissern, ob es unseren Familien und Freunden gut geht?«
»J a, das verlange ich«, bestätigte Lirandil. »D enn ihr würdet eure Lieben dadurch nur in Gefahr bringen. Brogandas mag unsere Verfolger ja mithilfe seiner zweifelhaften Methoden abgelenkt haben. Aber das heißt nicht, dass das so bleiben muss. Und wenn…«
»I ch kann es nicht fassen!«, platzte es aus Neldo heraus. »I ch kann nicht fassen, was Ihr da verlangt, Lirandil!«
»W ir wissen nicht, ob Ghool nicht längst ahnt, was ich vorhabe«, erklärte Lirandil ruhig. »A ber früher oder später wird das der Fall sein. Und wenn das eintritt, wird er uns jagen wie nie zuvor, denn er weiß dann, dass ihm eine ähnliche Niederlage blühen könnte wie vor vielen Zeitaltern, als Elbanador ihn besiegte. Und glaub mir, auch wenn selbst für uns Elben die Zeit der Schlacht am Berg Tablanor nahezu vergessen ist, so wird sie sich in Ghools Erinnerung unlöschbar eingebrannt haben. Er wird alles tun, um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt.«
»E r hat recht, Neldo«, sagte Zalea. »W ir können nicht nur an uns selbst denken. Es geht um ganz Athranor.«
Auch Borro und Arvan machten finstere Gesichter. Sie hatten offenbar ebenfalls erwartet, Gelegenheit zu einem Besuch auf ihrem heimatlichen Wohnbaum zu haben. Aber andererseits waren Lirandils Argumente einfach nicht von der Hand zu weisen. Und die daheim Zurückgebliebenen durch die eigene Anwesenheit in Gefahr bringen, das wollte nun wirklich keiner von ihnen.
Als die Dämmerung hereinbrach, horchten Lirandil und Brogandas plötzlich auf.
»W as beunruhigt dich, Elb?«, wollte Whuon wissen.
»H ufschlag!«, stellte Lirandil nur fest.
Nur Brogandas schien bislang in der Lage zu sein, diesen Hufschlag ebenfalls zu hören. »E s sind unsere Pferde«, war er sich sicher. »O der kommt Euch der Rhythmus ihrer Hufe irgendwie fremd vor, werter Lirandil?«
»A n Euch scheint das Gehör eines Elbenmusikers verloren gegangen zu sein«, erwiderte Lirandil.
»N ur ein geringfügiger Verstärkungszauber, dessen Anwendung Euch verboten ist, weil er in ein paar Kleinigkeiten der elbischen Tradition widerspricht.«
»N a großartig! Ein platt gesessener Hintern ist mir sowieso lieber als wund gelaufene Füße!«, meinte Borro und fügte dann einschränkend hinzu: »Z umindest wenn man sich mal an die Tiere gewöhnt hat.«
Es dauerte nicht lange, und auch Arvan, Whuon und die Halblinge hörten deutlich den Hufschlag. Die Tiere kamen über
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