Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
dem Elbenstab entschieden werden können– und ob das in einer Schlacht sein wird, da bin ich mir gar nicht so sicher…«
»W ie denn sonst?«, wollte Arvan etwas irritiert wissen.
Als Lirandil dem Ziehsohn der Halblinge das Gesicht zuwandte, lag es vollkommen im Schatten der ersten Riesenbäume am Waldrand. Umso deutlicher war das Aufflackern des bläulichen Lichts darin zu sehen. »W enn ich den neuen Elbenstab angefertigt habe, wird mein nächster Weg ins Herz von Ghools Reich führen. Dorthin, wo ich schon einmal war. Aber diesmal wird es das Ende des Schicksalsverderbers bedeuten, denn er wird es mit derselben Waffe zu tun haben, deren Kräfte ihn schon einmal in die Schranke gewiesen haben.«
Er sagt »i ch«, fiel es Arvan auf. Nicht »w ir«.
Anscheinend ging Lirandil davon aus, dass nur er es sein konnte, der den Elbenstab führte. Auserwählt durch wen oder was auch immer. Lirandil, der Erbe von König Elbanador, so schien er sich im Moment mit einer Selbstverständlichkeit zu betrachten, die Arvan unwillkürlich irritierte. Wo war der bescheidende Fährtensucher, der sich stets in den Dienst anderer oder einer Sache stellte? Wo der selbstlos über Jahrhunderte an einem Bündnis arbeitende Elb, dessen Diplomatie in dieser Zeit geradezu einen legendären Ruf errungen hatte, während man das Elbenvolk insgesamt eher mit Ignoranz und Überheblichkeit in Verbindung brachte?
Arvan schluckte.
Was ist wirklich in Asanils Turm geschehen?, ging es ihm nicht zum ersten Mal durch den Kopf.
Irgendwie hegte er vielleicht die stille Hoffnung, auf diese Frage, die seinen ganzen Zweifel ausdrückte und von der er niemals gewagt hätte, sie offen zu stellen, wenigstens eine Antwort in Form eines Gedankens zu bekommen.
Aber so häufig auch sonst eine derartige Verbindung von Geist zu Geist zwischen ihnen beiden bestanden hatte, diesmal blieben Lirandils Gedanken stumm.
In den folgenden Stunden hellte sich die Stimmung trotz allem merklich auf. Besonders galt das natürlich für die Halblinge. Diese Wälder waren nun einmal ihre Heimat, und auch wenn sie zurzeit weit von Gomlos Baum entfernt waren, so glich doch die Umgebung sehr stark jener, die sie von klein auf gewohnt gewesen waren. Die Tierstimmen waren vertraut. Auch die Gefahren, die hier lauerten, waren für sie gut ausrechenbar. Wenn man das Fauchen eines räuberischen Katzenbaums hörte, dann sah man eben zu, einen Bogen um ihn zu machen. Und selbst Arvans Laune wurde besser. Den Gedanken an die Veränderungen, die mit Lirandil geschehen zu sein schienen, seit er den Turm des Asanil betreten hatte, wischte er erst einmal beiseite. Das Unbehagen blieb allerdings.
Verluste
Sie folgten zumeist den ausgetretenen Pfaden, die die Kriegselefanten von Harabans Söldnern hinterlassen hatten. Seit Ausbruch des Krieges waren sehr viel mehr dieser Söldner in den Wäldern am Langen See unterwegs gewesen, als das in den zurückliegenden Jahren der Fall gewesen war. Hin und wieder traf man auf Überreste von ihnen. Zumeist nur Waffen. Selbst Kleidung und Knochen der Erschlagenen waren für die Aasfresser des Waldes verdaulich. Die Hinterlassenschaften erschlagener Orks und verendeter Hornechsen befanden sich dann meist in unmittelbarer Nähe.
All diese Funde erinnerten Arvan und die Halblinge mit Nachdruck daran, dass ihre bewaldete Heimat ein Kriegsgebiet war. Ein Kampf, der nicht in großen Schlachten ausgefochten wurde, sondern durch kleine Scharmützel und Hinterhalte.
Kurz nach dem zweiten Sonnenaufgang, den sie seit ihrer Rückkehr in den Halblingwald erlebten, erreichten sie ein Gebiet, in dem offenbar ein Feuer gewütet hatte. Die Riesenbäume waren verkohlt, auch wenn die Flammen es offenbar nicht geschafft hatten, mehr als nur die äußere Schicht der Stämme zu verschmoren, von denen wenige den Durchmesser eines Burghofs hatten. Auffällig war, dass der Boden weitflächig durch feuchte, glitschige Moose bedeckt wurde. Die Hufe der Pferde sanken tief in das Nass ein. Manche dieser Moose bewegten sich vorwärts und krochen an Baumstämmen empor.
In einigen Fällen waren auch die Baumstämme bis zur Hauptastgabel ziemlich weitflächig von emporkriechenden Moosstücken bedeckt.
»W andermoose«, stellte Lirandil fest.
Arvan wusste nur zu gut, was darunter zu verstehen war. Wandermoose waren ihm vertraut, auch wenn er sie mit seinen Gedanken nicht so leicht zu beeinflussen vermochte wie Rankpflanzen. Woran das lag, wusste er nicht. Sein Ziehvater Gomlo
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