Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
Arvan.
»U nd wo, bitte?«, maulte Borro.
»F ür meine Schleuder ist er ebenfalls zu weit weg«, stellte Zalea fest. »U nd außerdem scheint er mit seinem Zauberholz alles abfangen zu können, was ihm entgegenfliegt.«
Der Platz auf der Hauptastgabel war viel weitläufiger, als dies bei jedem Halblingwohnbaum der Fall war, den Arvan und seine Freunde je gesehen hatten. Und der hagere Mann mit dem grünen Gewand hatte sich einen nahezu idealen Standort für seinen Angriff ausgesucht. Von dort aus konnte er mit seinem Holz einen so großen Teil dieses Platzes erreichen, dass es für Arvan und seine Gefährten nahezu unmöglich war, irgendeine Deckung rechtzeitig zu erreichen. Das wiederkehrende Holz hätte auf jeden Fall einen von ihnen vorher getroffen. Und davon abgesehen war es für den Hageren sicher eine Kleinigkeit, danach die anderen von einem anderen Ast aus zu bewerfen. Er kannte sich hier offenbar hervorragend aus. Dies war sein Revier, und er schien es nicht dulden zu wollen, dass jemand hier eindrang.
Er warf erneut sein Holz.
Arvan versuchte diesmal nicht, ihm auszuweichen. Stattdessen tat er das Gegenteil. Er stürmte nach vorn und führte dabei eine Aufwärtsbewegung mit dem Beschützer durch. Dabei konzentrierte er sich vollkommen auf die Flugbahn des Holzes. Er traf es mit großer Wucht. Das Holz wurde in die Höhe geschleudert. Gleichzeitig griffen mehrere Ranken nach dem hageren Mann und rissen ihn zu Boden. Sie schnürten ihn im nächsten Moment an seinen Ast. Zalea gab Arvan geistesgegenwärtig einen Stoß, denn das Holz, das dieser mit so unglaublicher Wucht vertikal in die Höhe geschleudert hatte und das für einige Augenblicke im dichten Blätterdach des Runenbaums verschwunden gewesen war, kehrte jetzt zurück. Genau dort, wo soeben noch Arvan gestanden hatte, schlug es auf die runenbedeckte Baumrinde. Ein Treffer, der ausgereicht hätte, ihm den Schädel zu zertrümmern. Ehe das Holz vom Boden abprallte und mit der ihm innewohnenden Zauberkraft noch ganz woanders hinfliegen konnte, setzte Borro seinen Fuß darauf. Doch die geheimnisvolle Kraft des wiederkehrenden Holzes war stärker. Borro wurde zu Boden geschleudert, als das Holz emporschnellte und zu seinem von den Ranken gefesselten Herrn zurückkehrte.
Wenig später hörte man einen Schrei, als es den hageren Mann traf.
Beinahe gleichzeitig ertönte ein weiterer durchdringender Ruf von der anderen Seite des großen Platzes auf der Hauptastgabel.
»Q aláq! Aufhören!«
Alle drehten sich zu dem Rufer um und glaubten einen Augenblick, ihren Augen nicht zu trauen, als sie einen alten Halbling mit weißen Haaren und einem recht üppigen Backenbart sahen.
Er musste aus irgendeiner nicht gleich einsehbaren Baumhöhle getreten sein. Jedenfalls hatte ihn bis dahin niemand bemerkt.
»G rebu!«, entfuhr es Arvan, der es kaum fassen konnte, seinem alten Mentor und Lehrer ausgerechnet hier zu begegnen. »G rebu, wie kommt Ihr denn hierher?«
»D as ist schnell beantwortet– ich habe da vorn in meiner Baumhöhle etwas geschlafen. Und meine Ohren sind sowieso nicht mehr die besten. Also habe ich nicht gleich gehört, was hier los ist.«
»E ure Baumhöhle?«, wunderte sich Arvan.
»J a, ich lebe seit einiger Zeit hier. Und was Qaláq angeht, scheint er ein bisschen übereifrig zu sein, wenn es darum geht, Eindringlinge zu vertreiben. Aber andererseits kommt das an diesem Ort ja auch so gut wie nie vor…«
»I hr sprecht von dem hageren Mann, der uns mit seinem Holz beworfen und einige von uns fast getötet hat?«, fragte Lirandil.
»J a. Er nennt sich Qaláq. Das bedeutet in seiner Sprache ›Starker Narbenmann‹. Wenn ihr ihn aus der Nähe seht, werdet Ihr schon begreifen, dass dieser Name seinen Sinn hat.«
»J etzt aber mal der Reihe nach, Grebu! Wie kommt Ihr hierher? Warum seid Ihr nicht beim angestammten Baum?«
»O h, das ist eine lange, traurige Geschichte, Arvan«, sagte der alte Grebu. »O der, um es genau zu sagen: eine sehr lange und sehr traurige Geschichte…«
Unterdessen war von dem Ast aus, an den Qaláq gefesselt war, ein schmerzvolles Aufstöhnen zu hören.
»I ch will euch gerne alles berichten, was es zu berichten gibt«, sagte Grebu. »N ur hätte ich zuerst ein Anliegen: Befreit doch den Starken Narbenmann bitte aus seiner unerfreulichen Lage. Er hat schnell schlechte Laune, und so, wie die Dinge im Moment stehen, werde ich wohl noch eine ganze Weile hier mit ihm auskommen müssen.«
»K einer von uns
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