Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
brauche ich gewiss die Hilfe eines mächtigen Nachbarn– der vielleicht bis dahin sogar Hochkönig ist.«
Was für ein skrupelloser Stratege, ging es Candric durch den Kopf. Er hält mich anscheinend wegen meiner Jugend für leicht manipulierbar …
Candrics Lächeln blieb kühl und unverbindlich.
»W enigstens sehe ich jetzt, dass Ihr ein wahrer Optimist seid– denn schließlich geht Ihr davon aus, dass all diese Fragen in– sagen wir… in ein paar Monaten– überhaupt noch von Bedeutung sind.«
Der Kampf kam zu früh für die Verbündeten. Es hatten sich einfach noch nicht genug Truppen der Verbündeten in Gaa gesammelt, und auf den König von Dalanor und seine Mannen wartete man schon seit Längerem vergeblich. Und was die Aussicht auf Unterstützung durch Zwergenkrieger betraf, die mithilfe caraboreanischer Schiffe zu den Verbündeten stoßen sollten, wie Botschafter Rhelmi und Hochadmiral Dolgan Jharad angekündigt hatten, so war dies letztlich auch nur eine vage Hoffnung, von der noch niemand wusste, ob und wann sie sich erfüllen sollte.
Sämtliche Heerlager, die sich bisher außerhalb der Stadtmauern befunden hatten, waren im Verlauf der letzten Tage ins Innere verlegt worden. Gaa wirkte wie ein zu eng geschneidertes Wams, dessen Nähte jederzeit platzen konnten. Zahlreiche Ogerkrieger aus dem Heer von König Orfon besetzten jetzt auch Wehrgänge und Türme. Als die Angreifer sich ein weiteres Stück genähert hatten und deutlicher sichtbar geworden waren, stimmten sie ihre barbarischen Kriegsgesänge an. Sie schlugen mit Schwertern und Äxten auf die schweren, großen Schilder, die nur von Ogern getragen wurden. Für menschliche Krieger wären sie viel zu schwer gewesen. Oft genug verschanzte sich hinter diesen Schilden zusätzlich ein menschlicher Bogenschütze. Diese Art des gemeinsamen Vorgehens von Menschen und Ogern hatte im bagorischen Heer Tradition. Balkengroße Bolzen aus dem Hartholz von Riesenbäumen und einer Spitze aus gusseisernem Stahl wurden in die Springalds eingelegt. Anschließend machten sich die eingespielten Mannschaften daran, diese riesenhaften Armbrüsten ähnelnden Waffen mit purer Muskelkraft auf Spannung zu bringen. Soweit es ging, hatte man daher zumindest bei den besonders großen Springalds in jeder Mannschaft mindestens einen Waldriesen.
Auf den Türmen befanden sich kleinere Torsionsgeschütze und Trebuchet-Schleudern, die zum Teil genauestens den baulichen Voraussetzungen angepasst waren. Die Kraft miteinander verdrehter Seile ließ die Torsionsgeschütze Bolzen aus Stahl verschießen. In den Schleudertaschen der Trebuchets hingen bereits schwere Steinbrocken, und es bedurfte nur eines Befehls, um sie über die Mauern der Stadt hinweg in die Reihen der Angreifer zu werfen.
Hinter den Mauern– insbesondere in der Nähe der Stadttore– warteten Harabans Söldner mit ihren hochgerüsteten Kriegselefanten. Außerdem ein Teil der gepanzerten Ritter aus Beiderland, die für einen Ausfall bereitstanden.
König Orfon ließ sich inzwischen seine Rüstung anlegen.
Dann bestieg er sein gepanzertes Schlachtross und ließ sich von einem seiner Männer die Magische Lanze geben. Als er zum Hauptstadttor von Gaa ritt, machte man ihm überall Platz, und sowohl die Bewohner als auch die Krieger aus den Heeren der Verbündeten jubelten ihm zu. Selbst die für ihre stoische Ruhe bekannten Treiber der Kriegselefanten fielen darin ein.
Schließlich erreichte er das Tor.
Ein Trupp einer eigenen Reiterei folgte ihm. Dahinter Ogerkrieger, die die Stimmung mit ihren wilden Kriegsschreien immer wieder anheizten.
Ein Hauptmann aus den Truppen des Statthalters von Gaa trat Orfon entgegen. »H err…«
»H altet euch bereit, das Tor zu öffnen! Ich bin der Hochkönig– und auch wenn man bei euch in Gaanien auf eine etwas andere Weise Relinga spricht, wirst du mich wohl verstanden haben, nehme ich an!«
»A ber mir war gesagt worden, ich sollte warten, bis…«
»J etzt!«, brüllte der Hochkönig. »D enn der Feind soll mich sehen! Und vielleicht reizt ihn das, näher heranzukommen, sodass die Salven der Katapulte umso verheerender in seinen Reihen wüten können.«
Das Tor wurde geöffnet, das Fallgatter emporgezogen. Orfon ritt hinaus und zügelte sein Ross, kurz nachdem er den Durchgang passiert hatte. Er hob die Magische Lanze empor, und seine Ogersoldaten auf den Brustwehren antworteten ihm mit einem so durchdringenden Kriegsschrei, dass man meinen konnte, es müsste die
Weitere Kostenlose Bücher