Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
ihn nicht sonderlich zu behindern. Eine Wolke aus dunklem Rauch quoll ihm aus Mund und Nase und erinnerte an gefrierenden Atem.
Eine seiner Pranken umfasste den Pfeil und riss ihn heraus.
Kein Blut kam aus der Wunde.
Er riss den Pfeil empor und zerbrach ihn.
Ein Dutzend weiterer Pfeile traf ihn in den nächsten Augenblicken. Sein Körper zuckte unter den Treffern in Brust, Hals und Oberschenkel. Er stürzte nieder, stand aber wieder auf.
Orfon schwang sich in den Sattel seines frischen Streitrosses und sah schaudernd zu. Das ist ein Vorgeschmack, dachte er. Ein Vorgeschmack auf das, was uns während dieser Schlacht erwartet. Die Gedanken rasten nur so durch seinen Kopf. Er ließ sein Pferd noch etwas voranpreschen, sodass ihn die Krieger der Verbündeten von den Zinnen der Stadtmauern aus besser sehen konnten.
Die Krieger Ghools harrten noch immer in einem Abstand aus, der jeden Beschuss mit Katapulten sinnlos machte. Sie werden dort weiter warten, um zahlreicher zu werden, erkannte der Hochkönig. Sie denken gar nicht daran, unseren Springalds entgegenzulaufen, damit wir sie zerfetzen. Und selbst wenn das geschähe, könnten wir sie nur kurze Zeit aufhalten ….
Nein, es war unmöglich, die andere Seite zu einem Angriff zu provozieren. Und die Zeit spielte ihnen in die Hände, denn ihre Anzahl vergrößerte sich von Stunde zu Stunde. Irgendwann würden sie so viele sein, dass keine Mauer, keine Batterie von Katapulten oder Großarmbrüsten und kein noch so großes Heer sie mehr aufhalten konnte.
Jetzt, dachte Orfon von Bagorien, ist der Augenblick des Ruhms.
Er preschte voran, den auf ihren Linien verharrenden Wiedergängern entgegen. Dann zügelte er sein Ross, drehte sich in Richtung der Mauern von Gaa und hob die Magische Lanze.
»A ngriff!«, rief er.
Niemand konnte seinen Ruf in diesem ohrenbetäubenden Lärm aus menschlichen Kampfschreien, Ogergesängen und den barbarischen Lauten von untoten Orks und Wolfsmenschen verstehen. Aber das war auch gar nicht notwendig, denn der Hochkönig gab mit der Lanze ein Zeichen.
Ein Zeichen, das eindeutig war und den Angriff befahl.
Allerdings entgegen allem, was mit den Verbündeten abgesprochen war, nicht nur einen Vorstoß durch ein Stadttor, sondern aus allen Toren gleichzeitig. Es gibt nur diesen einen Moment, um die Flut der Wiedergänger noch aufzuhalten, glaubte Orfon. Und nur die Götter wissen, ob er nicht in Wahrheit schon längst verstrichen ist …
Dann stieß Orfon einen Kriegsschrei aus, gab seinem Streitross die Sporen und ließ es auf das Heer der Wiedergänger zustürmen, während hinter ihm bereits die ersten Kriegselefanten und gepanzerten Ritter und Ogerfußsoldaten auf das Schlachtfeld kamen. Der Klang von Signalhörnern mischte sich mit dem Trompeten der Elefanten und den ersten Todesschreien.
In der Ferne stand ein Schattenvogel am Himmel. Er schien sich kaum zu bewegen. Ein Beobachter, der gleichzeitig Auge und Seelenkraft seines dunklen Herrn war, der unzählige Meilen entfernt inmitten seiner geheimen Feste das Schlachtgeschehen lenkte.
Der Elbenstab
»G eht zur Seite«, sagte Lirandil zu den anderen. »N iemand von uns weiß, welche Kräfte möglicherweise frei werden, wenn ich das zu tun versuche, was vor mir nur König Elbanador getan hat.«
»N a, wenn Ihr schon nicht so richtig wisst, was geschehen wird, was soll ich denn dann davon halten?«, meldete sich Borro mal wieder ungefragt zu Wort.
»M an kann auch einfach mal schweigen«, raunte ihm Zalea zu.
»I ch meine ja nur. Eigentlich hatte ich gedacht, dass Lirandil wirklich das gesamte Wissen aus dem Buch des Ersten Elbenkönigs in sich aufgenommen hat, aber wenn da noch wichtige Fragen völlig ungeklärt sind…«
»B orro!«
»S chon gut, Zalea.«
Sie hatten sich zu einem der höher gelegenen Äste begeben, wo das Holz des Runenbaums nach Lirandils Angaben besser dafür geeignet war, einen Elbenstab zu fertigen.
Qaláq hingegen warnte eindringlich davor. »H olz das wiederkehrt nur von ganz unten!«, wandte er sich beschwörend an Lirandil. »H ier… zu viele Kräfte!«
»E r scheint das anscheinend schon einmal ausprobiert zu haben – in all den Jahren auf diesem Baum«, vermutete Whuon.
»J a, und er scheint dabei ein paar unangenehme Erfahrungen gesammelt zu haben.«
»B esser Holz von unten!«, wiederholte der Starke Narbenmann. »K räfte sonst zu stark.«
»I ch will kein wiederkehrendes Holz erschaffen«, sagte Lirandil. »E in Elbenstab ist etwas
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