Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
die andere Seite schlägt. Jetzt bietet Ihr mir Eure Krieger als Kämpfer gegen Ghools Horde an.«
»J a«, nickte Rhelmi und strich sich dabei über den üppigen Bart. »D er Wind hat sich gedreht– ich denke, so ähnlich würde das doch Euresgleichen ausdrücken!«
Fast einen halben Tag, nachdem die Stern von Carabor den Hafen von Gaa in südlicher Richtung verlassen hatte, ertönten die ersten Hornsignale. Kundschafter hatten das Anrücken der feindlichen Horden schon vor Stunden angekündigt, und seitdem erwartete man die Flut der Orks, der Dämonenkrieger und Wolfsmenschen.
Die ersten Berichte von Flüchtlingen darüber, dass erschlagene Orks sich von den Schlachtfeldern erhoben hatten, waren noch als Ausgeburten einer ängstlichen Fantasie von vollkommen verschreckten Menschen abgetan worden. Menschen, die nach all den Schrecken, die sie erlebt hatten und denen sie nur knapp entronnen waren, eigentlich nicht mehr richtig bei Sinnen sein konnten.
Aber dann hatten Kundschafter diese Berichte bestätigt.
Ghool hatte es offenbar eilig. Er wollte nicht warten, bis ausreichend viele seiner Krieger in Gaanien zusammengezogen worden waren. Die verbündeten Reiche hatten hier einen großen Teil ihrer Truppen konzentriert, und so erschien es der anderen Seite offenbar äußerst wichtig, diese in den letzten Wochen immer stärker angewachsene Armee zu zerschlagen, ehe sie ihr volles Ausmaß erreicht hatte.
Auf dem Ostturm der Burg von Gaa blickte Orfon von Bagorien über die Zinnen. Der neue Hochkönig schlang den Mantel enger um die Schultern. Ein kühler Wind wehte vom Langen Fjord her und riss an den Kleidern.
Bei ihm standen Candric von Beiderland und Truchsess Kalamtar von Condenna, der gegenwärtige Regent von Ambalor.
Haraban war nicht zugegen. Der Waldkönig hatte sich in seine Gemächer zurückgezogen. Wilde Gerüchte kursierten unter der Dienerschaft in der Burg des Statthalters. Es ging das Gerücht um, Haraban würde sich in diesen langen Stunden, in denen er sich zurückzog und während derer er für niemanden zu sprechen war, besonderen schwarzmagischen Ritualen unterziehen. Möglicherweise nahm er die Hilfe eines Magiers in Anspruch, wie manche zu wissen glaubten. Andere wollten wissen, dass er sich Pulver und Tinkturen mit hexerischer Wirkung in seine Gemächer kommen ließ, und beinahe jeder in Gaa war davon überzeugt, dass all das nur einem einzigen Zweck diente: dem Erhalt des ohnehin schon überlangen Lebens des Waldkönigs.
Innerhalb der Mauern seines Hofs am Nordufer des Langen Sees konnte Haraban die mitunter abstoßend wirkenden Einzelheiten seines täglichen Lebens besser verbergen. Er zeigte sich nur selten in der Öffentlichkeit, da ihm sehr wohl bewusst war, dass er mit seinem hölzern wirkenden Gesicht nicht gerade geeignet war, Sympathien in der Bevölkerung zu wecken. Ein von Magie über Jahrhunderte am Leben erhaltenes Monstrum wurde als König nicht geliebt, sondern nur gefürchtet.
Und etwas Ähnliches galt wohl auch für das Verhältnis zu seinen Verbündeten.
»H araban wird mir zunehmend unheimlich«, bekannte Candric von Beiderland. »I ch habe das bisher nie so offen ausgesprochen, aber da wir hier oben unter uns sind, will ich es einmal tun.«
»E s ist nicht ausgeschlossen, dass er magische Mittel und Methoden besitzt, um unsere Gespräche zu belauschen«, glaubte Truchsess Kalamtar.
»W enn ich ein ängstlicher Mann wäre, hätte ich Aladar niemals verlassen«, erwiderte Candric. »S tattdessen aber stehe ich hier auf dem Gebiet eines Nachbarlandes und erwarte mit Euch zusammen die angreifenden Horden Ghools.«
»E s ärgert Euch doch nur, dass Ihr nicht Hochkönig geworden seid«, glaubte Kalamtar. »U nd gleichzeitig wisst Ihr, dass das auch niemals geschehen wird. Zumindest so lange nicht, wie Länder, die kleiner als Beiderland oder Harabans Reich sind, niemals deren Herrscher als Hochkönig akzeptieren würden.«
»I ch sage nur, was ich denke«, ergänzte Kalamtar. »U nd noch etwas: Haraban hat aufgrund seiner Langlebigkeit alle Zeit der Welt. Er kann warten. Er kann diesen Krieg getrost abwarten und zusehen, wie ein Hochkönig nach dem anderen fällt, um dann am Ende die Beute ganz für sich allein zu haben. Darauf läuft es meiner Ansicht nach hinaus.«
»E ine Herrschaft Harabans über Athranor?«, fragte Candric von Beiderland skeptisch. »D as würde mein Land niemals zulassen– ganz gleich, wer in Aladar regiert.«
Kalamtar lächelte. »V
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