Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
herab und küsst mich. Ich fühle, wie meine Knie unter seiner Berührung weich werden. Ich will, dass dieser Kuss ewig dauert. Schon frage ich mich, ob wir nicht in die hochlehnige Kirchenbank meiner Großmutter schlüpfen sollen, damit wir noch ein wenig weitergehen können. Er aber löst sich von mir. »Du verstehst doch, dass wir jetzt verheiratet sind?«, beschwört er mich.
»Das hier ist unsere Hochzeit?«
»Ja.«
Ich muss kichern. »Aber ich bin erst vierzehn.«
»Das tut nichts zur Sache. Du hast dein Jawort im Angesicht Gottes gegeben.« Sehr ernst steckt er die Hand in die Jackentasche und zieht eine Börse hervor. »In dieser Börse sind hundert Pfund«, sagt er feierlich. »Hiermit übergebe ich sie deiner guten Hut. Im neuen Jahr gehe ich nach Irland und mache mein Glück, damit ich dich nach meiner Rückkehr offen vor aller Augen zur Braut nehmen kann.«
Die Börse ist sehr schwer, er hat ein Vermögen für uns gespart. Das ist so aufregend! »Ich soll das Geld sicher aufbewahren?«
»Ja, als gute Ehefrau.«
Das ist so entzückend! Ich schüttele die Börse ein wenig und höre die Münzen klimpern. Ich könnte sie in meine leere Schmuckschatulle tun. »Ich werde dir eine so treue Ehefrau sein! Du wirst überrascht sein!«
»Ja. Und wie ich dir gesagt habe: Dies ist eine rechtmäßige Hochzeit im Angesicht Gottes. Wir sind nun Mann und Frau.«
»Oh ja. Und wenn du dein Glück gemacht hast, können wir richtig heiraten, nicht wahr? Mit einem neuen Kleid und allem, was dazugehört?«
Einen Moment lang runzelt er die Stirn. »Du verstehst doch?«, fragt er. »Ich weiß, dass du noch jung bist, Katherine, aber du musst eines verstehen: Wir sind jetzt verheiratet. Es ist rechtmäßig und bindend. Wir können nicht wieder heiraten. Dies gilt für alle Zeit. Wir haben es getan. Eine Heirat zweier Menschen im Angesicht Gottes ist ebenso bindend wie eine Heirat mit Ehekontrakt. Du bist jetzt meine Frau. Wir sind vor den Augen Gottes und nach dem Gesetz des Landes verheiratet. Wenn dich irgendjemand fragt, dann bist du meine Frau, meine rechtmäßig angetraute Ehefrau. Verstehst du?«
»Natürlich verstehe ich das«, antworte ich hastig. Ich will ja nicht dumm wirken. »Natürlich verstehe ich. Ich meine doch nur, ich hätte gern ein neues Kleid, wenn wir es allen sagen.«
Er lacht, als hätte ich etwas Lustiges gesagt, nimmt mich wieder in seine Arme und küsst meinen Hals, begräbt sein Gesicht in meinem Nacken. »Ich werde dir ein blaues Seidenkleid kaufen, Mrs Dereham«, verspricht er.
Ich schließe die Augen vor Behagen. »Grün«, entgegne ich. »Tudor-Grün. Dem König gefällt Grün am besten.«
J ANE B OLEYN , G REENWICH , D EZEMBER 1539
Dank sei Gott, dass ich wieder in Greenwich bin, im schönsten Schloss des Königs, an meinem angestammten Platz in den Gemächern der Königin. Als ich zum letzten Mal hier war, pflegte ich Jane Seymour, die vom Fieber verzehrt wurde und beständig nach Heinrich fragte, der niemals kam ... Doch nun sind die Zimmer neu getüncht, ich bin wieder zu meinem Recht gekommen, und Jane Seymour ist vergessen. Ich allein habe überlebt. Ich habe den Sturz von Königin Katharina, die Schande von Königin Anne und den Tod von Königin Jane überlebt. Es erscheint mir wie ein Wunder, dass ich überlebt habe, und doch bin ich wieder hier, bei Hofe, einer der raren, der überaus raren Günstlinge. Ich werde der neuen Königin ebenso treu dienen wie ihren Vorgängerinnen, in Liebe und Ergebenheit und ohne meinen eigenen Vorteil aus dem Auge zu verlieren. Wieder werde ich in den schönsten Gemächern der größten Schlösser des Landes ein- und ausgehen. Wieder einmal bin ich an dem Ort, der mir durch Geburt und Erziehung zusteht.
Manchmal kann ich sogar alles Geschehene vergessen. Manchmal vergesse ich, dass ich eine Witwe von dreißig Jahren bin, Mutter eines Sohnes, der weit fort ist. Dann fühle ich mich wieder wie eine junge Frau mit einem angebeteten Ehemann und einer hoffnungsvollen Zukunft. Ich bin in den Mittelpunkt meiner Welt zurückgekehrt, fast könnte ich sagen: Ich bin neu geboren.
Der König plant eine Hochzeit zu Weihnachten, und sämtliche Hofdamen der neuen Königin sollen vor den Feiern bei Hofe versammelt sein. Dank meines Gebieters, des Herzogs, zähle ich zu ihnen und darf wieder mit meinen Freundinnen und Rivalinnen zusammen sein, die ich von Kindesbeinen an kenne. Manche heißen mich mit einem ironischen Lächeln und einem beißenden
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