Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
in meinem Bett aufwachen müssen, denke ich, während ich einen Schritt auf ihn zugehe und er mir einen Kuss auf die Stirn gibt.
Unverhohlen mustert er mich von Kopf bis Fuß, wie ein Mann, der ein Pferd begutachtet. Ich erinnere mich, dass er dem gesamten Hof von meinem Körpergeruch erzählt hat, und spüre, wie ich erröte. »Ihr seht gut aus«, gesteht er mir widerwillig zu. Ich höre versteckten Groll. Er hatte gehofft, ich würde mich vor Kummer verzehren, da bin ich sicher.
»Mir geht es gut«, sage ich ruhig. »Ich freue mich, Euch zu sehen.«
Er lächelt wohlwollend. »Ihr müsst doch gewusst haben, dass ich Euch niemals schlecht behandeln würde«, sagt er, froh im Bewusstsein der eigenen Großzügigkeit. »Wenn Ihr mir eine liebe Schwester seid, dann sollt Ihr sehen, wie gut ich Euch behandele.«
Ich nicke und verneige mich.
»Irgendwie seid Ihr verändert.« Er setzt sich und bedeutet mir, auf einem niedrigeren Stuhl neben ihm Platz zu nehmen. Ich setze mich und glätte den bestickten Rock meines blauen Kleides. »Sagt es mir. Ich kann eine Frau aufgrund ihres Aussehens beurteilen. Ich weiß, dass Ihr Euch irgendwie verändert habt. Was ist es?«
»Eine neue Haube?«, schlage ich vor.
Er nickt. »Sie steht Euch. Sie steht Euch sehr gut.«
Ich sage nichts darauf. Es ist eine französische Haube. Ist er erst mal mit der kleinen Howard verheiratet, dann wird er sich an das neueste Diktat der Mode gewöhnen müssen. Doch sei dem, wie es wolle: Ich jedenfalls trage keine Krone mehr und kann deshalb anziehen, was mir beliebt. Es ist schon komisch, dass ich ihm jetzt, da ich mich nach meinem Geschmack kleide, besser gefalle als vorher. Aber was ihm an einer Frau gefällt, würde ihm nicht unbedingt an seinem Eheweib gefallen. Katherine Howard wird das noch merken.
»Ich muss Euch etwas mitteilen.« Er schaut sich in der Runde um, wirft einen Blick auf seine Begleiter. »Lasst uns allein.«
Sie gehen hinaus, so langsam, wie sie es nur wagen, denn jeder möchte zu gern wissen, was hier gespielt wird. Ich bin sicher, dass er mich nicht fragen wird, ob ich zu ihm zurückkehre. Dessen bin ich sicher, und dennoch warte ich atemlos auf die Neuigkeit.
»Etwas, das Euch vielleicht bestürzen wird«, sagt er, um mich vorzubereiten. Sogleich denke ich, dass es um meine Mutter geht. Sie ist gestorben, ohne dass ich Gelegenheit hatte, ihr mein Scheitern zu erklären.
»Kein Grund zu weinen«, beeilt er sich zu sagen.
Ich schlage die Hand vor den Mund und beiße in meine Fingerknöchel. »Ich weine nicht«, sage ich standhaft.
»Das ist gut. Und außerdem müsst Ihr ja gewusst haben, dass es geschehen würde.«
»Ich habe es nicht erwartet«, sage ich dümmlich. »Ich habe es nicht so früh erwartet.« Sicherlich hätten sie doch Nachricht geschickt, wenn sie wussten, dass sie schwer krank war?
»Nun, es ist meine Pflicht.«
»Eure Pflicht?« Ich möchte unbedingt erfahren, ob meine Mutter in ihren letzten Lebenstagen noch von mir gesprochen hat, und höre kaum, was er sagt.
»Ich bin verheiratet«, sagt er. »Verheiratet. Ich dachte, ich muss es Euch sagen, bevor Ihr es durch Gerüchte erfahrt.«
»Ich dachte, Ihr redet von meiner Mutter?«
»Eure Mutter? Nein. Warum sollte ich Euch Nachricht von Eurer Mutter bringen? Was habe ich mit Eurer Mutter zu schaffen? Es geht um mich.«
»Ihr habt gesagt: etwas, das mich bestürzt.«
»Was wäre denn schlimmer für Euch, als zu hören, dass ich eine andere Frau geheiratet habe?«
Oh, da könnten mir schon ein paar Dinge einfallen, denke ich, sage es aber nicht laut. Die Erleichterung, dass meine Mutter am Leben ist, durchströmt mich, und ich muss die Armlehnen meines Stuhls umklammern, um mich wieder zu fassen und so ernst und sprachlos zu sein, wie er es von mir erwartet. »Verheiratet«, sage ich matt.
»Ja«, bekräftigt er. »Ich bedauere Euren Verlust.«
Also ist es tatsächlich geschehen. Er wird nicht zu mir zurückkehren. Ich werde nie mehr Englands Königin sein. Ich kann mich nicht um die kleine Elisabeth kümmern, ich darf Prinz Eduard nicht lieben, ich kann meiner Mutter keinen Gefallen tun. Es ist tatsächlich vorbei. Ich habe in meiner Mission versagt, und es tut mir leid. Aber Gott sei Dank bin ich jetzt sicher vor ihm, ich werde nie wieder das Bett mit ihm teilen. Es ist unwiderruflich beendet und vorbei. Ich schlage meine Augen nieder und setze ein ernstes Gesicht auf, damit er nicht sieht, wie ich innerlich frohlocke.
»Mit einer Dame aus
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