Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
ärgerlich. »Aber ich will nicht, dass die Leute fragen, was wir einander bedeutet haben.«
»Wir waren verliebt«, sagt er standhaft.
»Dies sollte nie laut gesagt werden«, schalte ich mich ein. »Sie ist die Königin. Sie darf kein Vorleben haben.«
Er beachtet meinen Einwurf nicht und schaut nur sie an. »Ich werde unsere Liebe niemals leugnen.«
»Es ist vorbei«, sagt sie entschlossen, und ich bin stolz auf sie. »Und ich wünsche kein Gerede über die Vergangenheit, Francis. Ich kann es nicht dulden, dass die Leute über mich reden. Ich werde Euch fortschicken, wenn Ihr nicht Stillschweigen bewahren könnt.«
Er überlegt einen Moment. »Wir waren vor Gott Mann und Frau«, sagt er ruhig. »Das könnt Ihr nicht leugnen.«
Sie macht eine ungeduldige Handbewegung. »Ich weiß es nicht mehr«, sagt sie hilflos. »Wie dem auch sei, es ist vorbei. Ihr könnt nur dann einen Posten bei Hofe haben, wenn Ihr niemals darüber sprecht. Seinen Posten darf er doch behalten, Lady Rochford?«
»Könnt Ihr den Mund halten?«, frage ich ihn. »Kümmert Euch nicht um vergangene Schwüre, sie sind blanker Unsinn. Ihr könnt nur bleiben, wenn Ihr schweigt. Wenn Ihr jedoch ein Prahlhans seid, dann müsst Ihr gehen.«
Er schaut mich ohne jede Wärme an, zwischen uns gibt es nicht den Funken eines Gefühls. »Ich kann den Mund halten«, sagt er.
A NNA , R ICHMOND -P ALAST , S EPTEMBER 1541
Es war ein guter Sommer für mich, mein erster Sommer in England als freie, unverheiratete Frau. Die königlichen Pachthöfe sind in gutem Zustand, ich bin umhergeritten und habe die Ernte reifen sehen, und in den Obsthainen biegen sich die Zweige unter der Last der Früchte. Es ist ein reiches, gesegnetes Land, die Heuschober sind bis an den Rand gefüllt, und in den Scheunen, so berichten sie mir, liegen Berge von Korn, das noch auf den Mahlstein wartet. Würde dieses Land von einem Manne regiert, der den Frieden will und seinen Reichtum teilen würde, dann könnte es ein friedliches und blühendes Land sein.
Des Königs Hass auf Papisten wie auch auf Protestanten vergiftet das Leben seines Landes. Wenn sie in der Kirche beim Sakrament der Wandlung die Hostie emporheben, dann dürfen selbst die kleinsten Kinder ihre Augen nicht davon abwenden, sie müssen mit dem Kopf nicken und das einstudierte Kreuzzeichen schlagen. Ihre eigenen Eltern wissen sich keinen anderen Rat, als ihren Kindern mit dem Scheiterhaufen zu drohen, wenn sie die Riten nicht einhalten.
Die armen Leute begreifen die Heiligkeit dieser Handlung überhaupt nicht, sie wissen nur, dass der König es so angeordnet hat. Wie wechselnde Moden hörten sie die Messe einst in Latein und jetzt in Englisch, hatten sie vorher in jeder Kirche eine Bibel und haben jetzt keine mehr. Der König verordnet seinem Volk den Glauben, so wie er eine ungerechte Besteuerung anordnet, einzig aus dem Grunde, weil er es kann; weil niemand wagt, ihn aufzuhalten; weil es inzwischen bereits Hochverrat bedeutet, an seinen Handlungen zu zweifeln.
Es kursieren Gerüchte, dass die Rebellion im Norden von tapferen, mutigen Männern angeführt wurde, die glaubten, dass sie ihren Glauben gegen den König verteidigen könnten. Aber die älteren Männer in Richmond weisen zu Recht darauf hin, dass sie nun alle tot sind und die Sommerreise des Königs nur dazu diene, über ihre Gräber zu trampeln, den Witwen zur Kränkung.
Ich mische mich in kein Gespräch über dieses Thema. Sobald ich etwas höre, das nur entfernt nach Hochverrat riecht, entferne ich mich rasch und teile meinen Damen oder meinen Dienern mit, dass irgendetwas gemunkelt wurde, ich es aber nicht verstanden habe. Ich verstecke mich hinter der Maske meiner mangelnden Sprachkenntnisse, ich glaube, es könnte meine Rettung sein. Ich mache ein verständnisloses Gesicht und verlasse mich darauf, dass mein Ruf, hässlich und stur zu sein, mich retten wird.
Meistens reden die Menschen gar nicht mit mir, sondern behandeln mich mit einer verwunderten Freundlichkeit, als hätte ich eine furchtbare Krankheit knapp überlebt und müsse noch geschont werden. Und in gewisser Weise stimmt das auch. Ich bin die erste Frau, die eine Ehe mit dem König überlebt hat. Das ist eine größere Heldentat, als die Pest zu überleben. Wenn die Pest wütet, dann mag sie in den Armenvierteln in einem besonders schlimmen Sommer eine von zehn Frauen dahinraffen. Aber von den vier Ehefrauen des Königs hat nur eine gesund und glücklich überlebt: ich. Nur -
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