Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
aus. Denn ich bin verliebt! Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich bis über beide Ohren verliebt. Ich kann es selbst kaum glauben.
Thomas Culpepper ist mein Liebster, er ist der Mann meines Herzens, der einzige Mann, den ich je geliebt habe, der Einzige, den ich je lieben werde. Ich bin Sein und er ist Mein, mit Herz und Seele. Alle meine Klagen über die Ehe und den Akt mit einem Mann, der alt genug ist, mein Vater zu sein, sind nun vergessen. Ich tue meine Pflicht am König wie eine Art Steuer, die ich zu entrichten habe, und sobald er eingeschlafen ist, bin ich frei, zu meinem Liebsten zu gehen. Noch besser und viel ungefährlicher ist auch der Umstand, dass der König von den Festlichkeiten unserer Sommerreise oft so erschöpft ist, dass er gar nicht mehr in meine Gemächer kommt. Ich warte, bis am Hofe alles ruhig ist, und dann schleicht Lady Rochford eine Treppe hinunter oder öffnet einen geheimen Eingang, und herein tritt mein Thomas, und wir können viele Stunden ungestört miteinander verbringen.
Wir müssen vorsichtig sein, wir müssen so vorsichtig sein, als hinge unser Leben davon ab. Doch jedes Mal, wenn wir eine neue Burg oder ein neues Haus beziehen, findet Lady Rochford einen geheimen Zugang zu meinen Gemächern und verrät Thomas den Weg. Und er kommt, unweigerlich, denn er liebt mich ebenso, wie ich ihn liebe. Wir ziehen uns in mein Schlafgemach zurück, und Lady Rochford passt auf. Die ganze Nacht liege ich in Thomas' Armen, wir küssen uns und flüstern miteinander und schwören uns ewige Liebe. Im Morgengrauen kratzt Lady Rochford leise an der Tür, ich stehe auf, und wir küssen uns zum Abschied, und dann schleicht er sich fort wie ein Geist, ungesehen. Niemand sieht ihn kommen, und niemand sieht ihn gehen, es ist ein wunderbares Geheimnis.
Die Mädchen schwatzen natürlich, es ist wirklich eine höchst ungebärdige Schar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie derart tratschen würden, wenn Königin Anna noch auf dem Thron säße. Aber ich bin es ja nur, und da die meisten von ihnen älter sind als ich und mich überdies aus Lambeth kennen, haben sie überhaupt keinen Respekt vor mir. Sie lachen über mich und necken mich wegen Francis Dereham. Ich fürchte, dass sie genau wissen, wann ich zu Bett gehe, und bestimmt wundern sie sich, dass ich nur Lady Rochfords Hilfe zum Umkleiden brauche und die Tür zu meinem Schlafgemach fest verschlossen ist und niemand hineindarf.
»Sie wissen gar nichts«, versichert mir Lady Rochford. »Und wenn, dann würden sie es niemandem erzählen.«
»Sie dürften überhaupt nicht tratschen«, sage ich. »Könnt Ihr ihnen nicht befehlen, ihre Zungen im Zaum zu halten?«
»Wie könnte ich das, da Ihr doch selbst mit Mary Tylney über Francis Dereham gelacht habt?«
»Nun, über Thomas lache ich nie«, sage ich. »Ich erwähne nie seinen Namen. Ich sage ihn nicht einmal in der Beichte. Ich sage ihn nicht einmal zu mir selbst.«
»Das ist klug«, meint sie. »Haltet ihn geheim. Haltet dies alles vollkommen geheim.«
Sie bürstet mir gerade das Haar. Nun hält sie inne und betrachtet mich im Spiegel. »Wann ist Eure Regel fällig?«, fragt sie.
»Ich weiß es nicht«, erwidere ich. Bei solchen Dingen verliere ich immer die Übersicht. »War's letzte Woche? Jedenfalls habe ich sie nicht bekommen.«
Nun schaut sie mich sehr aufmerksam an. »Sie ist nicht gekommen?«
»Nein. Bürstet am Hinterkopf, Jane. Thomas mag es, wenn mein Haar ganz weich ist.«
Sie bewegt die Hände, bürstet aber nachlässig. »Seid Ihr irgendwie unwohl?«, fragt sie. »Sind Eure Brüste größer geworden?«
»Nein«, sage ich. Dann begreife ich, worum es geht. »Oh! Ihr denkt, ich könnte guter Hoffnung sein?«
»Ja«, flüstert sie. »Mit Gottes Hilfe.«
»Aber das wäre ja schrecklich!«, entfährt es mir. »Denn, Lady Rochford, es wäre vielleicht nicht des Königs Kind!«
Sie legt die Bürste hin und schüttelt den Kopf. »Es ist Gottes Wille«, sagt sie sehr langsam und deutlich, als wollte sie mich etwas lehren. »Wenn Ihr des Königs Ehefrau seid und ein Kind empfangt, so ist das Gottes Wille. Denn es ist Gottes Wille, dass Ihr dem König ein Kind schenkt. Und deshalb ist dieses Kind des Königs eigenes Kind, auch wenn Ihr Beziehungen zu einem anderen Manne hattet.«
Ich bin ein wenig verwirrt durch diese seltsame Beweisführung. »Aber was ist, wenn es Thomas' Kind ist?« Sofort habe ich ein Bild von Thomas' kleinem Sohn vor Augen: ein braunhaariger, blauäugiger
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