Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
ihn retten?«
Ich wische mir mit dem Rücken des Handschuhs die Tränen aus dem Gesicht. »Ich wäre für ihn gestorben«, sage ich. »Ich glaubte tatsächlich, ich könnte ihn retten. Ich tat alles dafür.«
»Warum ging es schief?«, flüstert sie.
»Der Plan Eures Onkels war folgendermaßen: Die beiden sollten sich schuldig bekennen, dann würde Anne geschieden und in ein Kloster geschickt werden. George würde seinen Titel und seine Ämter verlieren und verbannt werden. Die anderen Männer, die des Ehebruchs mit Anne bezichtigt wurden, waren unschuldig, das wussten alle. Sie waren Georges Freunde und Annes Höflinge, aber keinesfalls ihre Liebhaber. Wir hatten geglaubt, auch ihnen würde verziehen werden, so wie Thomas Wyatt.«
»Und dann, was geschah dann?«
All dies wieder hervorzuholen, mutet an wie ein Traum. Es ist der Traum, der mich oft heimsucht, der mich des Nachts aufweckt wie eine Krankheit, sodass ich hochschrecke und in meinem Zimmer umherwandere, bis ich den ersten Schimmer des Tageslichtes sehe und weiß, dass meine Qual für diesmal vorüber ist.
»Sie bestritten ihre Schuld. Das gehörte nicht zu unserem Plan. Sie hätten gestehen sollen, aber sie bestritten alles außer ein paar Bemerkungen über den König: George hatte gesagt, dass Heinrich impotent sei.« Selbst an diesem leuchtenden Herbsttag, fünf Jahre nach dem Prozess, senke ich immer noch die Stimme und vergewissere mich, dass niemand uns belauscht. »Der Mut hatte sie verlassen. Sie leugneten ihre Schuld und baten nicht um Gnade. Ich hingegen hielt mich an den Plan Eures Onkels. Ich rettete meinen Titel, ich rettete die Ländereien, ich rettete das Erbe der Boleyns und ihr Vermögen.«
Sie wartet. Sie versteht nicht, dass dies das Ende der Geschichte ist. Dies ist meine eine große Tat, der Triumph meines Lebens: die Rettung des Titels und der Ländereien. Doch Katherine sieht mich nur verblüfft an.
»Ich tat, was ich tun musste, um das Erbe der Boleyns zu retten«, wiederhole ich. »Mein Schwiegervater, Georges und Annes Vater, hatte im Laufe seines Lebens ein Vermögen angehäuft. George hatte einiges hinzugefügt, und Annes Reichtum war darin eingeflossen. Ich rettete Rochford Hall für uns, ich behielt den Titel. Ich bin immer noch Lady Rochford.«
»Ihr habt das Erbe gerettet, aber nicht für sie«, sagt Katherine verständnislos. »Euer Ehemann starb und muss im Glauben gestorben sein, dass Ihr Euch gegen ihn gewendet habt. Er muss geglaubt haben, dass Ihr ihn für schuldig hieltet, während er auf nicht schuldig plädierte. Ihr wart die Zeugin der Anklage.« Sie denkt langsam, sie spricht langsam, und nun spricht sie langsam das Schrecklichste von allem aus. »Er muss geglaubt haben, dass Ihr ihn in den Tod gehen ließet, damit Ihr den Titel und die Ländereien behalten konntet.«
Ich könnte sie anschreien, weil sie es ausgesprochen hat, weil sie meinen Albtraum in Worte gefasst hat. Ich reibe mein Gesicht mit dem Handrücken, als wollte ich meinen finsteren Blick fortreiben. »Nein. So nicht! So war es nicht! Das hätte er nie von mir geglaubt«, sage ich verzweifelt. »Er wusste, dass ich ihn liebte, dass ich ihn retten wollte. Als er in den Tod ging, muss er gewusst haben, dass ich vor dem König auf Knien lag und um Gnade für meinen Gemahl bettelte. Als sie in den Tod ging, muss sie gewusst haben, dass ich im letzten Moment noch den König bat, sie zu verschonen.«
Katherine nickt. »Nun, ich hoffe, dass Ihr niemals für mich aussagen müsst«, sagt sie in einem kläglichen Versuch, witzig zu sein. Doch ich lächele nicht.
»Das war das Ende meines Lebens«, sage ich schlicht. »Nicht nur ihr Leben war zu Ende, es war auch mein Tod.«
Eine Weile reiten wir in Schweigen versunken, und dann spornen zwei oder drei von Katherines Freundinnen ihre Pferde an, holen auf und fangen an, über Ampthill zu schwatzen: welcher Empfang uns wohl dort bereitet werde und ob Katherine ihr gelbes Kleid oft genug getragen habe und es jetzt Katherine Tylney schenken werde. Und sofort bricht ein Streit aus, weil Katherine das Kleid Joan versprochen hat, aber Margaret darauf besteht, dass sie es bekommen soll.
»Ihr könnt beide Ruhe geben«, sage ich und rufe mich mit einiger Anstrengung in die Gegenwart zurück. »Denn die Königin hat dieses Kleid nicht öfter als dreimal getragen, und deshalb bleibt es in ihrem Schrank, bis sie es öfter getragen hat.«
»Das ist mir gleich«, sagt Katherine. »Ich kann mir stets ein neues
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